Nach knapp 10
Wochen Aufenthalt in den USA wurde es bei mir doch langsam Zeit das
ungebändigte Haarwachstum in seine Schranken zu weisen, sprich: der Nackenspoiler muss
ab.
Aufgefallen sind
mir nicht nur in Detroit sondern auch in Chicago die vielen traditionellen Barber
Shops. Schaut man durch die Schaufensterscheiben in die Barber Shops, dann
fallen die Frisierstühle im Stil der vierziger/fünfziger Jahre auf, wie die
restliche Innenausstattung aus dieser Zeit. Der Trend, Friseursalons möglichst
clean und modern aussehen zu lassen, wie ich das aus Deutschland kenne, wird
hier schlicht ignoriert. Friseure afroamerikanischer Abstammung sind von der
Kleidung und Erscheinung völlig unauffällig,
die Friseure mit heller Hautfarbe tragen häufig karierte Hemden, nicht
selten Vollbart, die Haare im Teddy-Boy oder Rockabilly-Look und die Tätowierungen
mäandern die Unterarme herunter häufig auch bis auf die Handrücken. Man
erwartet, dass im Hinterhof der Friseurläden hubraumstarke, liebevoll individualisierte
Krafträder auf den Feierabend des Besitzers warten. In den Produktauslagen zum
Kauf liegen ausschließlich traditionelle Pomaden in Metalldosen. Männer
dominieren den Berufsstand.
Da der Einzelhandel
und Ladenpassagen hier in der Regel bis in die späten Abendstunden geöffnet
haben natürlich auch Wochenende, habe ich Freitag nach Arbeitsende den
Entschluss gefasst, einen Barber Shop in Detroit aufzusuchen. Dank Google.maps
konnte ich schnell die fünf ansässigen Barber Shops in Detroit Downtown
ausfindig machen, die ich fußläufig erreichen kann, priorisiert nach dem besten
Kunden-Feedback bei Google. Um 17:15 stand mein Auto in der Tiefgarage und los geht’s.
Ich habe den Standard Barber Shop
angesteuert, der nicht nur die höchste Google-Bewertung aufweist, sondern u.a.
auch auf weiteren Internetseiten lobend erwähnt wird, wie beispielsweise hier: http://opportunitydetroit.com/blog/enjoy-a-shave-and-a-haircut-at-standard-barber-company/
Nach dem
Erreichen der zweiten Etage des Treppenhauses, das wie ein Mehrfamilienhaus wirkt,
wurde ich beim Betreten des Shops als erstes gefragt, ob ich einen Termin habe.
Nein, leider nicht, gut, dann können wir nur einen Termin für die nächste Woche
suchen, da um 18:00 Ladenschluss ist und am Wochenende der Shop geschlossen
bleibt – entgegen der Öffnungszeiten, die im Internet zu finden sind. Darauf
habe ich mich nicht eingelassen, sondern habe statt dessen lieber den nächsten
Shop angesteuert, wo in etwa die gleiche Kommunikation stattfand. Um es
abzukürzen: Am letzten Freitag wurden mit nicht die Haare geschnitten. Entweder
hatten die Barber Shops schon geschlossen, die ich kurz nach 18:00 Uhr erreicht
habe, oder Bedienung findet nur mit einem vorher vereinbarten Termin statt. Puh, ein ganz
schöner Kontrast zu den sonstigen gewerblichen Öffnungs- und Servicezeiten.
Am Sonntag habe
ich einen neuen Plan geschmiedet und überlegt, einen Frisuer in der Nähe Firma
anzusteuern. Google hat mir im Zirkelradius einiger Kilometer Offerten
angeboten, von denen die bestbeurteilte die Möglichkeit geboten hat, online
einen Termin zu vereinbaren. Gesagt, getan! Dienstag 16:00 Uhr habe ich Zutritt
zum Berkley Chop Shop. Die kleine
Slidehow auf der Startseite, vor allem das Familienbild vor der Eingangstür,
hat allen meinen Vorstellung des ordentlichen geführten Barbershops
entsprochen. http://berkleychopshop.com/
Bei der Online-Terminvereinbarung wird auch der jeweilige Friseur ausgesucht
(Auswahl hatte ich allerdings keine mehr), die Dauer (30 Minuten der einfache Herrenhaarschnitt
ohne Rasur) und Preis (20$) festgelegt.
Ich war auf die
Minute pünktlich. Der Shop besteht aus einem Raum mit etwas größerer
Abstellkammer. Sechs Frisierstühle standen im Raum, von denen gerade fünf
belegt waren, der sechste war meiner. Zu jedem Friseurstuhl bzw. Friseur
gehörte ein ca. 1,5 m hoher roter pulverbeschichteter Werkstattwagen. Nach
kurzer Begrüßung und Erläuterung wie man meinen Vornamen korrekt ausspricht,
war ich an der Reihe zu erläutern, was denn gemacht werden soll. Ohne Kenntnis
über Fachtermini des Friseurhandwerks habe ich versucht zu beschreiben, was
meinen Vorstellungen entspricht. Fast jeder meiner Sätze wurde mit: „Yeah, yeah,
I got you!“ quittiert. Ganz stolz, bei meinem ersten Besuch eines US-amerikanischen
Barber Shop Fachkommunikation betreiben zu können, hatte ich auf einmal den
Eindruck, dass hier etwas wichtiges fehlt. Es gab kein Waschbecken im Raum. Die
Haare wurden also mit einer Sprühpistole nass gemacht – so wie bei allen
anderen Kunden - und dann wurde ich vom Spiegel weggedreht. Dabei ist mir
aufgefallen, dass auch die anderen fünf Kunden mit dem Gesicht vom Spiegel
abgewandt saßen während des Schneidevorgangs, stattdessen die Friseure vor dem Spiegel standen und
arbeiteten. Schnipp, schnipp ging es los und auf einmal, unangekündigt, wurde
mein Stuhl ruckartig um etwa 45 Grad gedreht. Auch bei den anderen Kunden
konnte ich sehen, dass alle ein bis zwei Minuten eine ruckartige Drehung des
Stuhls stattfand, allerdings immer nur soweit, dass man nicht in den Spiegel
schauen konnte. Nach geraumer Zeit wurde mir der Kittel abgenommen, ohne die
noch nassen Haare zu föhnen, und es hieß: It is all set! Ich schaute auf die
Uhr, exakt 30 Minuten waren vorüber. Beim Schneiden konnte ich schon bei den
anderen Kunden das Bezahlritual beobachten. Es wird nicht an der Kasse gezahlt, die gibt es
nämlich gar nicht, sondern man drückt seinem Friseur einen 20 $-Schein in die
Hand, der diesen zusammengekntittert in der Jeans-Hosentasche verschwinden
lässt.
Während dem
Schneiden ist man dem Friseur regelrecht ausgeliefert. Der Kunde hat keine
Chance zu beeinflussen, wo mehr oder weniger Haare bleiben sollen. Während des
Schneidens sich im Spiegel zu sehen ist in Deutschland doch ein angenehmes
Ritual.
Das, was
geschnitten wurde, entsprach im Nachhinein nicht meinen Erwartungen, sowohl vom
handwerklichen als auch vom Verständnis. Ich glaube, nächstes Mal sollte ich mir
doch vorher ein paar Sätze zurecht legen, was zu tun ist, bzw. um Wiederholung
des Verstandenen bitten, um zu sehen, das wir zumindest eine gemeinsame Sprache
finden.
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