Beide Produkte (Kaffee und Burger) mit hoher Konsumintensität sind für mich prägendes Abbild der Kultur der USA. Kaffee, der nicht nur in Büros, sondern vor allem auch im Gehen oder Fahren unterwegs getrunken wird, als Lebenselixier die Kräfte revitalisiert und den Menschen weckt oder noch wach hält, um viel und lange Arbeiten zu können – ganz im Geiste protestantischer Arbeitsethik. In die gleiche Richtung schlägt der Burger als Symbol für Fast Food. Er ist das Konglomerat aus Fleisch, Gemüse, Salat und Brot, enthält somit alle Nährstoffe, die Körper und Geist kräftigen. In rationalisierter Produktionsweise stehen dem Kunden nach Bestellung Burger schnell zur Verfügung und der Burger ist auch schnell verzehrt. In der Regel arbeiten an einem Burger mindestens drei oder vier Beschäftigte in strenger Arbeitsteilung. Bei der Speisung wird dann keine unnötige Zeit für die Nahrungsaufnahme vergeudet, die Kosten halten sich im Rahmen und auch hier kann die Schaffenskraft nach vollendetem Genuss wieder zügig ihren Wirkungskreis entfalten. Soviel zu meinen imaginären Bild...
Diese Lebens- und
Genussmittel, die in den USA einen hohen Verbreitungsgrad besitzen, weisen auch
eine Spannweite an handwerklichen Fähigkeiten bei der Zubereitung auf. Neben
dem dominanten Mainstream aus industrieller Fertigung und leider auch finaler
Zubereitung, wie teilweise in diesem Blog schon angesprochen, gibt es für an
Qualität Interessierte eine Szene, die sich mit perfektionierter Zubereitung
und ausgewählten Rohstoffen auseinandersetzt. Gerne bin ich immer mal wieder
auf der Suche nach diesen ästhetischen Gegenbewegungen zum Mainstream, nach
Lokalitäten und Menschen, die mit Passion und ausgewiesenen Fähig- und
Fertigkeiten eine hohe Qualität dieser kulturprägenden Stilmittel erschaffen.
Gestern durfte
ich beruflich nach Chicago. Wie der Zufall es wollte, hat sich zwischen den
beiden Terminen, in einem Vorort und Downtown Chicago ein Zeitfenster geöffnet,
das Raum gegeben hat für ein Mittagessen. Den mitreisenden Kollegen habe ich
schnell davon überzeugt, dass ich die Lokalauswahl vornehme. Am Wochenende
zuvor wurde ich nämlich telefonisch von meinem Bruder darüber aufgeklärt, dass
Chicago sich kulinarisch sehr dynamisch entwickelt und der kulinarischen Nummer
eins, New York, den Rang streitig macht.
Ausgerüstet wurde ich dazu noch mit einer digitalen Fotographie des aktuellen
Falstaff Magazin, in dem die 12 kulinarischen Top Adressen von Chicago kurz
rezensiert sind. Beschreibungen wie: höchstdekoriertestes
Restaurant der Stadt, kulinarisches Theater auf Weltniveau… machen zwar
neugierig, spielen aber in einer anderen Liga als mein Geldbeutel. Aufmerksam
wurde ich allerdings bei der Beschreibung: Fragt
man einen Koch oder Gourmet, wo es die besten Burger gibt, sagen alle, im Au
Cheval. Und genau dahin hat uns das Taxi auch gebracht. Merkwürdigerweise
standen auf dem Bürgersteig des Au Cheval etwa ein Duzend Leute in der Sonne.
Worauf die wohl warten wurde uns schnell klar, als wir am Stehpult im
Eingangsbereich ankamen und der junge Mann im Holzfällerhemd uns mitteilte, das
wir natürlich einen Tisch haben können, es aber etwa noch 45 Minuten dauert.
Natürlich warten wir, was ich sonst hasse wie die Pest. Man hinterlässt den
Vornamen und die Mobiltelefonnummer und irgendwann kommt dann die SMS, dass man
an der Reihe ist. In unserem Fall hat das knapp 55 Minuten gedauert. Innen drin
ist der Laden sehr überschaubar. Eine Theke nimmt etwa dreiviertel der Längsseite des rechteckigen Raumes ein. Im
ersten Moment stellt man sich die Frage, wofür diese riesige Theke gut ist, und
ob es fünf oder sechs Bedienstete braucht für die Zubereitung der Getränke.
Dann entdeckt man die Dunstabzugshauben und erkennt, dass sich hinter der Theke
unmittelbar im Raum die Küche befindet. Auch zur Mittagszeit ist es relativ
duster, grobe Backsteinwände und massive Holzmöbel prägen auch hier das
Ambiente. Die Musik, vor allem um die Mittagszeit empfand ich zu laut, um sich noch
normal zu unterhalten. Entschädigt wurde man aber durch die Tatsache, dass die
Funk- und Soulmusik von einem alten Tonbandgerät gespielt wird, bei dem die
beiden analogen Zeiger vor dem gelblich beleuchteten Hintergrund der
Anzeigeskala je nach Aussteuerungsvolumen zu Curtis Mayfields (Move on up) schön tanzen. Das Wasser, das uns unaufgefordert auf den Tisch gestellt wurde,
war nicht chlorhaltig und konnte man gut trinken. Bestellt wurde ein Double Cheeseburger
mit Bacon. Die Rindfleich-Paddies außen knusprig innen saftig, genauso wie der
Bacon, der mindestens zwei Zentimeter dick war und von der Konsistenz sich
kaute wie ein gerösteter Marshmallow. Ich schätze, dass ich für meinen
Aufenthalt in den USA den Burger-Zenit hier erreicht habe. Ohne Trinkgeld,
Steuern, Getränke und den obligatorischen Pommes, die hier mit Schale in
Schweineschmalz frittiert werden, muss man allerdings auch 16,50$ auf den Tisch
legen. Trotzdem, eine lohnenswerte Investition. Anbei noch ein Foto vom Corpus
Delicti, der übrigens mit dem Messer so serviert wird:
Heute nach Feierabend
habe ich The Great Lakes Coffee Roasting
Company aufgesucht. Auf der Woodward Ave in Detroit Midtown wird eins von
zwei Cafés betrieben. Aufgefallen ist mir die Lokalität eigentlich im Detroiter
Veranstaltungskalender, da hier nicht nur Kaffeeverköstigungen und -seminare stattfinden,
sondern auch Kunst- und Kulturveranstaltungen. Die großzügigen Räumlichkeiten
sind nüchtern gestaltet. Rohe Mauerziegel in changierenden Rottönen und
massives, dunkles Holz bilden beim Betreten den ersten Eindruck. Das Café bezeichnet
sich selbst auch als Community Space.
Damit ist nicht nur gemeint, dass hier die Nachbarschaft oder weitere
Peergroups sich treffen können, sondern auch, das im Aufbau des Cafés Baustoffe
aus leerstehenden und demolierten Gebäuden der Nachbarschaft verwendet und
damit quasi recycelt wurden, natürlich von lokalen Handwerksbetrieben. Neben
Kaffee wird auch Wein angeboten und verköstigt. Endlich sehe ich hier auch mal
Regale mit deutschen Weinen von Nahe, Mosel und Rheingau, wie z.B. vom Weingut
Dönnhoff, allerdings zu entsprechenden Importpreisen die Flasche. Die Kaffeebohnen
stammen alle aus biologischem Anbau. Hinter der Theke stehen vier mächtige
Mühlen von der italienischen Firma Mazzer. Kaffee auf Espressobasis wird mit
einer dreigruppigen La Marzocco, Modell: La Strada (mit Paddel zur manuellen
Steuerung der Preinfusion) extrahiert. Sehr gut hat mir gefallen, dass es auch
gebrühten Kaffee zu kaufen gibt. Auf der Theke findet sich dazu ein U-förmiger
Metallständer, in dem oben vier Porzellanfilter reingesteckt sind. Auf
Bestellung wird der Porzellanfilter mit einem Papierfilter und einer
entsprechenden Menge frisch gemahlenem Kaffee befüllt. Eine Tasse wird unter
den Porzellanfilter gestellt. Mit einer schwanenhalsförmigen Stahlkanne, die
mit Wasser in der entsprechenden Temperatur befüllt wird, gießt der Barista im
ersten Gießschritt nur so viel Wasser in Filter und auf das Pulver, dass beides
leicht aufquillt. Nach etwa einer Minute wird dann mit großer Umsicht – ohne das
Löcher in der aufgequillten
Kaffeepulveroberfläche entstehen (ja, das ist die große Kunst!) - das Aufgießen vollführt, so dass sich die
Tasse mit Kaffee füllt. Alles nach den Regeln der Kunst einen guten Kaffee zu
brühen. Kaffee für unterwegs gibt es
natürlich im Pappbecher, Kaffee im Lokal wird glücklicherweise in dickwandigen
Tassen serviert, wie es sich gehört.
Bestellt man
Espresso, wird man vom Barista über zwei mögliche Bohnensorten aufgeklärt. Ein
äthiopische Kaffee in klassischer dunkler Röstung und ein indonesischer in
hellerer Röstung. Natürlich habe ich beide als Espresso nacheinander probiert. Einfache
Espressi gibt es hier nicht, die Dosierung beginnt beim Doppio. Als erstes dann
die helle Röstung gewählt. Perfekte Temperatur, deutliches Beerenaroma mit
Säure, aber trotzdem als Emulsion im Mund sehr weich und keineswegs
unangenehm. Anschließend mit Wasser, das
auf einer Anrichte zur Selbstbedienung steht (zum Glück ohne den
Chlorgeschmack) den Mund neutralisiert. Anschließung habe ich den klassischen Espresso
probiert, der mir als schokoladig und rauchig offeriert wurde. Die dicke dunkle
Crema war vielversprechend, im Geschmak aber für mich nicht schokoladig,
sondern deutlich lakrtizartig und nicht so smooth wie der erste. Aber genau diese Geschmakscharakterisitk
trifft meine Erwartung für guten Espresso aus Nordamerika. Er weist insgesamt einen
deutlich höheren Säureanteil auf, als es die Europäer und vor allem Italiener
gewohnt sind. Hier war ich nicht zum letzten Mal und kann einen Besuch
bedenkenlos weiterempfehlen. Geröstete Bohnen kann man hier übrigens auch
kaufen. Die Preise liegen, unabhängig von der Sorte – was mich wundert - bei 15$
für 12 Oz, also 340 Gramm. Wer fotografische Impressionen möchte, dem empfehle
ich einfach die Startseite mit wechselnden Fotos. http://www.greatlakescoffee.com/