Seit etwa fünf
Wochen war ich im Besitz der Eintrittskarte für ein Konzert der Dead & Company Tournee in Columbus,
Ohio. Was für ein Zufall, dass 20 Jahre nach dem Tod von Jerry Garcia sich
Bill Kreutzmann, Mickey Hart und Bob Weir entschlossen haben als Dead and
Company erneut auf Tournee zu gehen, und ich just zu diesem Zeitpunkt in den
USA sein werde, ganz in der Nähe von einem der Spielorte.
Die Stadt
Columbus in Ohio ist 203 Meilen von Detroit entfernt. Mein Navi hat dafür 3 ½
Stunden Fahrzeit prognostiziert. Um vorher ganz entspannt im gebuchten Motel
einzuchecken und noch eine Kleinigkeit zu Abend zu essen, bin ich Freitag
ausnahmsweise gegen 13:00 aus dem Büro raus, ab ins Auto und los. Fahren auf
US-Überlandstraßen ist eigentlich recht entspannt. Außerhalb größerer Städte
fahre ich fast ausschließlich mit dem Lenkrad, also der Tempomat-Steuerung am
Lenkrad. Man muss sich als Deutscher kurz dran gewöhnen, auf allen Spuren
überholt zu werden. Auf High- und Freeways – wobei mir bis heute der
Unterschied noch nicht ganz klar ist – liegt die Maximalgeschwindigkeit in den
Staaten Ohio, Illinois und Michigan bei 70 Meilen pro Stunde, was 112,6 km/h
entspricht. In Deutschland kommt mir das gähnend langsam vor, hier ist es
wirklich angenehm zu fahren und auch angemessen. Denn der Zustand vieler
Straßen würde es gar nicht zulassen 180 km/h oder schneller zu fahren. Ich bin
froh, mit einem SUV motorisiert zu sein, der über ausreichend Federwege
verfügt. Fast alle Fahrer überschreiten die Höchstgeschwindigkeit um 5 bis 10
Meilen, auch die LKW, viele fahren so wie ich, mit Tempomat. Ärgerlich wird es
allerdings wenn Baustellen nahen, so wie auf der I-75 nahe Toledo. Über mehrere
Meilen wurde die Straße vermittels Pylonen von drei auf zwei auf eine Spur
verjüngt, ohne irgendeine Aktivität von Bauarbeitern und ohne auch nur ersichtliche
Vorbereitungen einer Baustelle. Dieser verkehrslogistische Schwachsinn hat mich
zusätzlich über eine Stunde Stopp and Go
Fahren gekostet. Die Einfahrt nach Columbus am Freitag spätnachmittag war
natürlich auch auf allen Straßen verstopft. Für die 203 Meilen habe ich
schlussendlich insgesamt 5 ½ Stunden Fahrzeit gebraucht.
Dann die Ankunft im
Motel. Nach der Internet-Buchung war mir gar nicht bewusst, dass ich ein Motel
und nicht im Hotel ein Zimmer reserviert habe. Glück gehabt: denn den Charme
der einfachen, klassischen Motels, die man aus Filmen kennt, habe ich bisher noch
vermisst. Durch eine Einfahrt gelangt man auf einen Innenhof, der
ausschließlich zum Parken dient. Auf zwei Stockwerken ist der Innenhof umgeben
von Zimmern, deren Türen direkt ins Freie führen.
Nach der
Autofahrt war ich froh, die zwei Meilen zur Nationwide Arena laufen zu können. Denn,
wie ich mittlerweile gelernt habe, finden Konzerte in den USA bestuhlt im
Sitzen statt – in der Regel. Je näher ich der Arena kam, desto mehr Menschen
strömten aus den Parkhäusern im näheren Umkreis Richtung Arena. 19:30 Uhr sollte
das Konzert beginnen, ich kam um 19:10 Uhr an der Arena an. Allerdings nicht nur
ich, vor den Eingangstüren standen geschätzte 5.000 weitere Gäste in einer
Menschentraube mit locker 50 bis 75 Metern Durchmesser. Es hat über eine halbe
Stunde Wartezeit gedauert, bis ich durch einen der Metalldetektoren unmittelbar
hinter den Türen gehen durfte. Als ich mich dann nochmal umdrehte, war die
Menschentraube hinter mir nicht wesentlich kleiner. Diesmal wurde ich nicht
aufgefordert Schlüssel, Geldbeutel und Telefon auf eine kleine Anrichte neben
dem Metalldetektoren zu legen. Die Security hat lediglich in mitgebrachte
Taschen geschaut. Ich nehme an, die Detektoren waren ausgeschaltet oder auch
nur Attrappen, 18.500 Menschen so seriös zu untersuchen, würde bei
ausverkauften Haus fiel zu lange dauern.
Dann die
Überraschung: während ich gegen 07:45 Uhr endlich in der Vorhalle der Arena war
und viele Menschen noch Draußen in den Warteschlangen, strömte Musik von der
Bühne aus in den Vorraum. Eine Vorband? Nein, Dead and Company haben relativ
pünktlich angefangen, der erste Song wurde gespielt. Also schnell orientiert,
wo mein Sitzplatz ist und rein in den
Veranstaltungsraum, der trotz striktem Rauchverbot recht vernebelt war. Hier
saß auch keiner auf einem Stuhl. In allen Rängen standen bzw. wippten oder
tanzten die Menschen vor den hochgeklappten Sitzflächen der Bestuhlung. Nachdem
mir mein Block vom freundlichen Aufsichtspersonal durch Handzeichen gewiesen
wurde, musste ich nur noch meine Stuhlreihe finden und die tanzenden drei Platznachbarn, links
von meinem Sitzplatz, kurz um Einhalt und leichte Rückenlage bitten, um an meinen
Sitzplatz zu kommen, der nur als Ablage für die Jacke diente. Nachdem ich dort
angekommen war, begrüßte mich mein – ich würde sagen etwa gleichaltriger – Platznachbar zur Linken mit Handschlag und
seiner linken Hand an meinem rechten Oberarm. Rechts von mir waren noch zwei
Plätze frei. Etwa 15 Minuten später kam dann auch von rechts ein Pärchen, dass
ich etwa 15 bis 20 Jahre älter schätze als ich es bin. Der Mann zur Rechten begrüßte
bei seiner Ankunft mich und auch noch
den Platznachbar links von mir mit mehrfach geschütteltem Handschlag. Er war rein äußerlich
ein eher unauffälliger Zeitgenosse, der allerdings jeden Song und jede Strophe
mitsingen konnte.
Im Vorhinein zur
Tournee gab es geteilte Meinungen, ob der junge John Mayer die richtige
Besetzung für den Part sei, den früher Jerry Garcia einnahm, womit er viele der Soli zu übernehmen hat. In einem
Interview kurz vor der Tournee äußerte John Mayer, dass er sich seit
Jahresbeginn auf die ab 31.10. beginnende Tournee spieltechnisch vorbereitet.
Dabei koste es ihn große Konzentration so locker und manchmal unscharf zu
klingen, wie es die Musik erfordert. Und in der Tat, während der 68-jährige Bob
Weir beim Gitarrenspiel locker swingt, ist John Mayer phasenweise deutlich
konzentrierter. Schloss man die Augen, war es allerdings extrem stimmig, harmonisch und pointiert gespielt. Ich war erstaunt von der Alterszusammensetzung des
Publikums. Erwartet hatte ich viele Zuhörer, die altermäßig als meine Eltern
durchgehen könnten. Aber neben dieser Gruppe, Zeitgenossen der Musiker, die
natürlich vertreten war, waren eigentlich auch alle Altersgruppen vor Ort.
Interessant für mich, dass sich auch nochso Jugendliche und in
den 20er Jahren Steckende mit der Musik identifizieren
können. Diese Musik kann dem Zuhörer fast schon spirituelle Momente vermitteln. So sieht man mitunter vollbärtige ältere Herren, vom Typus
Erdkunde-Lehrer kurz vor der Pensionierung,
die man ansonsten als eher emotionslosere Zuhörer einordnen würde, die die ganze
Zeit mit ausladenden Armbewegungen tanzen, Pirouetten drehen und zu jedem
Zeitpunkt absolut textsicher sind. Die Musik live in einer solchen Atmosphäre zu hören, hat nochmal eine ganz andere Kraft als die reine Medienwiedergabe.
Mein etwas älterer Platznachbar zu Rechten war teilweise emotional von der Musik so berührt, dass ihm nach manchen Solo-Parts oder rhytmischen Übergängen nichts anderes übrig blieb, als tremolierendes Indianerschrei von sich zu geben. Drei oder viermal hat er mich auch mit seinem linken Arm umarmt und vermutlich etwas Begeistertes über die Musik ins Ohr gerufen. Nehme ich zumindest an, denn ehrlich gesagt, habe ich – auch wenn ich es wirklich versucht habe – kein Wort von ihm verstanden. Als Reaktion habe ich mit dem ausgestreckten Daumen gewippt, was er dann noch mit einem Klapps auf die Schulter quittiert hat.
Mein etwas älterer Platznachbar zu Rechten war teilweise emotional von der Musik so berührt, dass ihm nach manchen Solo-Parts oder rhytmischen Übergängen nichts anderes übrig blieb, als tremolierendes Indianerschrei von sich zu geben. Drei oder viermal hat er mich auch mit seinem linken Arm umarmt und vermutlich etwas Begeistertes über die Musik ins Ohr gerufen. Nehme ich zumindest an, denn ehrlich gesagt, habe ich – auch wenn ich es wirklich versucht habe – kein Wort von ihm verstanden. Als Reaktion habe ich mit dem ausgestreckten Daumen gewippt, was er dann noch mit einem Klapps auf die Schulter quittiert hat.
Insgesamt hat
sich der Aufwand für dieses Konzert auf jeden Fall gelohnt. Knapp 4 Stunden super Musik in toller Atmosphäre. Ein Ereignis mit
bleibender Erinnerung.
Was ich während
des Konzerts (am 13.11.2015) nicht verstanden habe, war ein Symbol das immer
mal wieder auf die große Leinwand hinter der Bühne projiziert wurde. Es
handelte sich ein Peace-Zeichen, wobei das Kreisinnere aus einem Eifelturm
bestand, wie mit grober Wachsmalkreide schnell skizziert, mit der Überschrift Pray
for Paris. Als ich nach dem Konzert gegen 01:00 Nachts in mein Motelzimmer
kam und nochmal durch die Fernsehsender gescrollt bin, habe ich dann von CNN
erfahren, wem Dead and Company das Konzert in Columbus gewidmet haben. Mir wurde auch dann klar, dass Touch of grey als Zugabe ausgewählt wurde, da die letzten Zeilen des Stück folgendermaßen lauten "We will survive, we will survive".
Gleichzeitig ist mir bewusst geworden, dass im Radio in der Regel keine Nahrichten gesendet werden. Auf der Hinfahrt habe ich durchgehend 5 ½ Stunden Radio gehört. In Michigan wechsle ich immer mal wieder zwischen drei programmierten Sendern und in Ohio habe ich mehrere Neue gesucht, gefunden und gehört. Aber es kamen keine Nachrichten oder Infos über die Ereignisse von Paris am 13.11.2015 im Radio.
Gleichzeitig ist mir bewusst geworden, dass im Radio in der Regel keine Nahrichten gesendet werden. Auf der Hinfahrt habe ich durchgehend 5 ½ Stunden Radio gehört. In Michigan wechsle ich immer mal wieder zwischen drei programmierten Sendern und in Ohio habe ich mehrere Neue gesucht, gefunden und gehört. Aber es kamen keine Nachrichten oder Infos über die Ereignisse von Paris am 13.11.2015 im Radio.
Zum
Abschluss noch die Set-List
für die Dead-Heads unter den Lesern, wobei insbesondere das zweite Set mich äußerst
begeistert hat, und ein kleiner atmosphärischer Eindruck von I know You Rider.
Set I
Mississippi Half-Step Uptown Toodeloo
Brown Eyed Women
Tennessee Jed
Little Red Rooster
Bird Song
Standing On The Moon
Cumberland Blues
Mississippi Half-Step Uptown Toodeloo
Brown Eyed Women
Tennessee Jed
Little Red Rooster
Bird Song
Standing On The Moon
Cumberland Blues
Set II
Playin’ In The Band
China Cat
I Know You Rider
Eyes Of The World
Space
Drums
The Wheel
Black Peter
Playin’ In The Band (reprise)
Good Lovin’
Playin’ In The Band
China Cat
I Know You Rider
Eyes Of The World
Space
Drums
The Wheel
Black Peter
Playin’ In The Band (reprise)
Good Lovin’
E:Touch of Grey
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