Mittlerweile bin
ich ziemlich genau fünf Wochen in den USA. Diesen Zeitraum halte ich für ausreichend, um gefestigte, individuelle
Urteile über bestimmte Lebensqualitäten bzw. besser: gefestigte Vorureile über
Lebensqualitäten zu überprüfen und auch möglicherweise zu revidieren. Ich möchte jetzt auf zwei ganz
wesentliche Parameter von Lebensqualität eingehen, nämlich Bier und Kaffee!
Als Deutsche
halten wir gemeinhin viel von der Qualität unseres Bieres. Insbesondere unsere
Pils-Biere sind doch einmalig in der Welt. Gerne präsentieren oder geben wir
mit der Qualität unserer Biere an, wenn Besuch aus fremden Ländern zugegen ist,
wird auch gerne mal auf die Historie deutscher Braukunst seit dem Mittelalter
verwiesen. Als unser Deutsches Reinheitsgebot für die Brauzunft verabschiedet
wurde, 1516, da hat gerade 24 Jahre zuvor Christoph Columbus den Kontinent
Amerika entdeckt, ohne dass es ihm bewusst war… Ordentliches französisches
Baguette gibt es schließlich auch nur Frankreich. Mich wundert es in diesem Zusammenhang immer wieder
und ich frage mich auch woran es wirklich liegt, dass beispielsweise in
Saarbrücken kein deutscher Bäcker Baguett in der Qualität herstellen kann, wie es
jeder Zunftbruder 5 km weiter hinter der Grenze täglich macht. Mein bisheriges,
holzschnittartiges Bild von Bier in den USA stellte sich bisher so dar, als
dünne Brühe, die von wenigen Weltkonzernen täglich in vielen Millionen Hektolitern
produziert wird und von Millionen Geschmaksignoranten täglich konsumiert
wird.
Tatsächlich nehme
ich es hier ganz anders war. In Supermärkten, auch den kleinen, findet man
teilweise 60 bis 80 verschiedene Biersorten. Da Bier hier in der Regel im
6-er-Gebinde verkauft wird, braucht es auch nicht so viel Platz im Regal oder
Kühlfach, wie in Deutschland in Kisten. Regalweise wird Bier aus kleinen,
lokalen Brauereien angeboten. Die lokalen Brauereien aus Michigan haben
teilweise 10 bis 15 verschiedene Biersorten im Angebot. Und jede Sorte schmeckt
anders, teilweise nur in bestimmten Jahreszeiten angeboten. Die Etiketten sind
meist bunter und werden mit einer großen Bandbreite an Abbildungen,
Comicfiguren, Fotos bis zu Pin-ups etc. versehen – das ist etwas
gewöhnungsbedürftig, wenn man aus einer Kultur kommt, in der in der Regel nur
Schriftzug des Produzenten und vielleicht noch ein Wappen auf dem Etikett zu finden ist. Lässt
man sich davon nicht beirren, erwartet einen ein großer Kosmos an Geschmacksvielfalt.
Ich habe mir übrigens gerade eine Flasche Best-Brown-Ale von Bell’s Brewery in
Michigan geöffnet. Hier ein Link zu diesem saisonalen Produkt sowie weiteren
Infos zur Brauerei als Beispiel unabhängiger Braukunst in den USA – für den
Interessierten: www.bellsbeer.com
Der Leser dieser
Zeilen braucht keine Sorge zu haben, dass weitere Recherchearbeit Missbrauch im
Konsum verursachen könnte. An jedem Abend wird brav nur eine Flasche geöffnet –
in der Regel.
Kaffee ist in den
USA ein weiteres großes Thema. Kaffee wird viel konsumiert, vor allem, im
Vergleich zu Deutschland, wird er nicht zu Hause gebrüht und getrunken, sondern
außerhäusig erworben und unterwegs getrunken. Dass Starbucks aus den USA kommt,
war für mich kein Geheimnis. Der deutschen Coffee-Shop-Kultur hat Starbucks
seit einigen Jahren Vorschub geleistet. Der Verbreitungsgrad, den Starbucks
hier genießt, mit eigenen Coffee-Shops und als Systemprodukt in
Schnellrestaurants und Frühstücks-Kaffee hat mich aber dann doch überrascht.
Die Präsenz von Starbucks-Bohnen im Supermarktregal ist ebenfalls dominant.
Starbucks vertreibt in Supermärkten auch ein reichhaltiges Angebot an
aromatisierten Bohnen. Warum dem Endverbraucher im Supermarkt 10-kg Dosen
geröstete Bohnen angeboten werden, kann ich nicht verstehen.
So, und dass muss
jetzt einmal sein: Ich kann es nicht mehr sehen und lesen, wenn jegliche Restaurants
mit großen metallenen Schildern werben: We
are proud to serve Starbucks. Seit doch bitte auf irgendwas Anderes stolz.
Aber Kaffee von Starbucks ist nichts Besonderes. Vor allem, wenn er von unwissenden
Laien in Starbucks-Läden viel zu heiss zubereitet wird. Der Geschmack ist
flach und bleich und passt zu den Pappbechern, in denen er serviert wird. Milch
wird in der Regel auch viel zu heiß, wie Bauschaum aufgeschäumt und ist für Cappucino
eigentlich nicht mehr zu gebrauchen. Und dafür werden einem dann teilweise 4$
abgeknöpft. Auch in unserem Büro werden Bohnen von Starbucks verwendet, die ich
näher in Augenschein nehmen konnte. Pech schwarz und öhlig geröstet. Bei den
von mir hier gekauften, gemahlenen Kaffeesorten ist der Mahlgrad deutlich
gröber als ich es zu Hause verwende, auch für die Zubereitung in der Pressstempelkanne.
So war es längst
überfällig für mich mit Kaffeekultur fernab des Mainstreams zu beschäftigen.
Hier in Detroit gibt es natürlich mehrere unabhängige Coffee-Shops. Mich hat es
heute Nachmittag zielgerichtet in die Roasting
Plant ( www.roastingplant.com ) geführt.
Nach zwei Läden in New York wurde 2013 eine Roasting
Plant in Detroit eröffnet. Der Ladengründer war vermutlich von der
Ausbildung ein Ingenieur, der großen Spaß und pneumatischen Steuerungen hatte.
Im Zentrum des Ladens befindet sich ein - ich würde sagen 2 kg - Hiessluft-Röster aus Glas,
der über eine pneumatische Steuerung mit Rohbohnen-Mischungen aus Glaszylindern
beschickt wird und nach dem Röstvorgang das Endprodukt in Glaszylinder leitet. Damit
nicht genug. Über weitere durchsichtige Kunststoffrohrleitungen werden die
fertigen Bohnen zur Kaffeemaschine hinter dem Kaffeetresen gesaugt und dort
gemahlen und extrahiert. Auch die Kaffehäutchen, die beim Röstvorgang von den
Bohnen getrennt werden, werden dauerhaft über einen durchsichtigen Zylinder
abgesaugt. Die ganzen pneumatischen Vorgänge und Bohnen, die durch die Rohre
sausen, machen Geräusche, keine unganehmen, aber an die man sich erstmal gewöhnen muss. Um sich ein
Bild von der imposanten an Orgelpfeifen erinnernde Verrohrung der Anlage zu
machen, anbei ein Foto:
Ich habe bei der
Bestellung gleichzeitig einen single-Espresso und einen kleinen Cappuccino
bestellt. Die Qualität beider Getränke würde ich als ok bezeichnen und Abstand
nehmen von den überschwänglichen Äußerungen der Nutzer, die sich auf den dafür
vorgesehenen Plattformen äußern. Der Espresso hatte eine leichte Beerennote,
die durch das schokoladig-rauchige Aroma durchkommt. Beim Cappucino war die
Konsistenz des Milchschaums zwar in Ordnung, allerdings viel zu heiß. Die Barista,
wenn man sie überhaupt so nennen will – konnte keinen Einfluss auf die
Zubereitung nehmen. Der Kaffee wurde im Vollautomaten auf Knopfdruck
zubereitet, der Milchschaum kam aus einer Art Zapfhahn, wie man ihn hier vom
Fassbier kennt. Auch hier wurden mir beide Getränke in jeweils einem Pappbecher
serviert – und zwar in gleicher Größe. Gerade beim Espresso ist das doch sehr
befremdlich. Hier wäre ein Semi-Automat mit Siebträger und Porzellantassen doch
wünschenswert. Interessant, dass Espresso als Single, Double, Triple und auch
Quadruple angeboten wird. Hätte ich wochentags mehr Zeit, würde ich mich gerne
einmal morgens ab sieben Uhr an die Theke setzen und gespannt darauf warten,
welche Zeitgenossen sich morgens mit einem vierfachen Espresso frisch machen. Schön ist die Transparenz auf der
Beschilderung der gerösteten Bohnen. Neben der Bohnenzusammenstellung und
Herkunft der Bohnen finden sich Beschreibungen der erwartbaren Nuancen für Körper und Aroma. Auch der
jeweilige Röstgrad wird angegeben: entweder City Roast oder Full City Roast – für
die in Röstverfahren Inaugurierten ;-). Preislich beginnt das Pfund bei 20 $
und endet bei sortenreinem Blue Mountain aus Jamaika für 77 $ das Pfund. Auch
hier würde ich gerne mal schauen, ob und welche Kunden bereit sind 144 $ fürs
Kilo gerösteten Kaffee auszugeben. So beeindurckend die Anlage auch ist, zwei
Nachteile hat sie. Die Entgasungszeit, die frisch gerösteter Kaffee braucht,
fehlt, bzw. ist nicht steuerbar. Hier kommt er zu schnell zur Mühle, vor allem wenn
die Nachfrage auf Kundenseite steigt. Spätestens, wenn man selber mit frischgeröstetem
Kaffee zu Gange war, stellt sich zudem die Frage, wie die aufwendige Verrohrung
gereinigt wird. Ohne Säuberung fangen meine Dosen recht schnell an ranzig zu
riechen. Also insgesamt: mehr Schein als Sein. Die Suche nach unabhängigem,
handwerklich sauberen Kaffee wird weitergehen im Land der unbegrenzten Möglichkeiten...
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