Sonntag, 1. November 2015

Mit Life Savers nach Chicago



Nahtlos kann ich hier mal an meinen letzten Beitrag anknüpfen. Nachdem ich letztes Wochenende Bekanntschaft mit den Life Savers Wint-O-Green Produkt machen durfte, kam mir am Montag im Büro die Idee, die vorhandene Packung für einen kleinen sensorisch-kulturellen Test einzusetzen.
Dienstag vormittags habe ich also die Packung im Büro die gezückt und einer amerikanischen Zellennachbarin und einem weiteren Zellennachbar jeweils ein Wint-O-Green offeriert. Unter Zelle verstehe ich hier einen durch drei ca. 1,5 m hohe Raumteiler, U-Förmig aufgestellten Raum. (Um den Nachbarn zu sehen, muss man sich also Stuhl erheben) Beide haben dankbar angenommen und sofort das Produkt im Mund verschwinden lassen. Während ich auf den Moment des Ekelns meiner Zellennachbarn unruhig gewartet habe, lächelte mich die Kollegin an und sagt nur „Oh, my favorite flavour!“. Auf meine erstaunte Rückfrage, ob denn das Bitzeln auf der Zunge sie nicht irritiere, kam lapidar die Antwort, dass ja genau das das Tolle an dem Produkt ist. Während dieser Konversation begab sich ein vor etwa zwei Jahren aus Deutschland immigrierter Kollege zu uns. Auch er hat dankbar aus meiner Tüte ein Produkt, das er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte - entnommen, geöffnet und im Mund verschwinden lassen. Es dauerte keine drei Sekunden, bis er mit gezieltem Griff den Papierkorb unter meiner Arbeitsfläche hervor gezogen und das Produkt aus seinem Mund mit Hilfe der Gravitationskraft in den Papierkorb befördert hatte. Damit wäre für mich der Beweis erstmal erbracht, dass es sich nicht um eine individuelle Geschmackverirrung bei mir handelt.
Am Donnerstag und Freitag hat eine Veranstaltung unseres Konzerns in der Nähe des Chicagoer Flughafens stattgefunden. Liebe Leser, ratet mal, was im Veranstaltungssaal auf einem Tisch neben einem Bündel Kugelschreiber und Blöcken mit Hotelwerbung stand? Richtig: Eine Keramikschale voll mit Life Safers. Ich habe mich sofort drüber gebeugt und die Geschmacksrichtung Wint-O-Green identifiziert. Scheint hier wohl doch ein Mainstream-Geschmack zu sein. An Wint-O-Green scheiden sich die Geister der Kulturen.
Freitagnachmittag habe ich mich dann spontan ins Taxi unserer Brasilianischen Kollegen eingeladen und bin so kostenfrei vor die Haustür meines Hotels in Chicago Downtwon gekommen. Bei dem verbleibenden Tageslicht wurde dann noch schnell die nähere Umgebung erkundet. Der nächste Morgen hat leider mit strömendem Regen gestartet und leider auch bis zum späten Nachmittag angedauert. Fürs Frühstück habe ich mir ein von Kunden sehr positiv rezensiertes Frühstückslokal in einer Entfernung von fünf Minuten Fußweg rausgesucht. Dort angekommen habe ich realisiert, dass es zwar richtig war, eine Regenjacke einzupacken, aber mit meinen Lederschuhen beide Füße jetzt schon an den Zehen nass waren. Das war nicht angenehm, geriet aber für eine halbe Stunde in Vergessenheit, da ich von einem Super Frühstück abgelenkt wurde: Tour de France wurde das Gericht genannt: drei verschiedene Scheiben French Toast (mein Favorit war aus Süßkartoffelmehl gebacken)  mit drei Toppings und drei Fruchtsorten. Ich würde sagen: Armer-Ritter - at its best! Dann schnell zurück ins Hotel und die Socken gewechselt, um mich nicht zu erkälten. Alternativ hatte ich nur noch meine Laufschuhe dabei, die sich für trockene Füße überhaupt nicht anbieten, weshalb ich entschieden habe, erstmal auf dem Bett liegen zu bleiben und Fernsehen zu schauen. Eine tolle Sendung, die vormittags zu schauen ist,  trägt den Titel Ink Master. Hier müssen drei Aspiranten nach bestimmten Vorgaben (vermeintlich) Freiwillige vor laufender Kamera tätowieren, in gesetzten Zeitfenstern, z.B. 30 Stunden für den gesamten Rücken. Eine Jury bewertet dann fachkundig die vollbrachten Werke und krönt einen Sieger. Unter anderem wurde ich auch überrascht, dass ich zwei komplette Spielfilme hintereinander schauen konnte, ohne eine einzige Werbeunterbrechung. Scheinbar ist das doch möglich in den USA. Ich muss in Detroit in meinem Apartment unbedingt diesen Sender finden. Insgesamt finde ich es ja bemerkenswert hier, dass man in den USA vor Allem gewarnt wird, z.B. wenn eine Rolltreppe endet, wird man von einer Stimme aus dem Off daran erinnert, dass man bei Unachtsamkeit hier schnell hinfallen und sich verletzten kann. Andererseits laufen mittags um 12:00 Uhr im Fernsehen Horror- und Kriegsfilme, die bei uns, wenn überhaupt, dann nach 22:00 aus Gründen des Jugendschutzes gezeigt würden.
Mit dieser Fernsehdröhnung kam ich mir in meinem Hotelzimmer wie in einer Gefängniszelle vor, ich habe es bereut, nicht mit dem Auto die viereinhalb Stunden von Detroit nach Chicago gefahren zu sein. Mit dem Auto, wäre ich auch im Regen mobil und könnte irgendwo hinfahren, z.B. den Lake Michigan rauf oder runter. Zum Glück hat gegen 17:00 Uhr der Regen endlich aufgehört und ich habe noch bis 22:00 Uhr zu Fuß Chicago erkundet – welche Wohltat mich endlich wieder bewegen zu können.
Am Sonntag wurde hier auf Winterzeit umgestellt, eine Woche nach der deutschen Zeitumstellung. Mit der einen Stunde gefühltem Zeitgewinn und wolkenfreiem Himmel bin ich auf Erkundungstour gestartet. In der fußläufigen Umgebung meines Hotels befindet sich ein Planetarium, ein Aquarium mehrere Museen und auch zwei Aussichtsplattformen, aus dem 103. Stock eines Wolkenkratzers. Mag sein, dass ich jetzt als knauserig bezeichnet werde, aber ich war nicht bereit Eintrittspreise von 30 bis 40$ pro Programmpunkt zu bezahlen. Auch der Chicago-Ausweis, mit dem man 4 Attraktionen besuchen kann für nur 96$ (im Angebot!), finde ich für einen Tag recht zu teuer. Gegönnt habe ich mir dann aber doch eine Architektur-Bootsfahrt auf dem Chicago River. Das hat sich gelohnt. Architektur ist sowieso der bleibenden Eindruck  dieser zwei Tage bei mir. Es ist wirklich beeindruck, wie viele Stilrichtungen, von Gotik über Klassizismus bis Jugendstil und Art-deco an den Wolkenkratzern zu entdecken sind – ohne das man den Eindruck hat, es wäre artifiziell oder aufgesetzt. Insgesamt ist in Downtown alles sehr gepflegt, vor allem auch die Grünanlagen, wie z.B. der schöne Millennium-Park, so etwas wünsche ich mir auch in deutschen Großstädten. In Grünanlagen wird zeitgenössische Kunst so integriert, dass es wirklich anfassabar ist und viele Menschen anzieht und begeistert, wie z.B. die Brücke von Frank Gehry oder die Cloud Gate. Anbei übrigens mal hier ein Foto der Cloud Gate als Suchbild: Wer findet den Fotografen?


 So, und zum Abschluss gibt es noch ein Architektur-Eindruck der Stadt vom Touri-Boot aus geschossen. In der Mitte sticht übrigens einer der TRUMP-Tower heraus.




Leider habe ich gerade festgestellt, dass der Fernsehsender HBO, auf dem ich am Samstag tagsüber zwei Spielfilme ohne Werbeunterbrechung schauen konnte, nur mit einem extra zu bezahlenden Abonnement zu beziehen ist. Wäre doch zu schön gewesen...
Bin mal gespannt, ob das Hilton in Chicago mir das noch extra in  Rechnung stellt, nach meinem Quick-Check-out, bei dem ich also nur die Zimmerkarte in den dafür vorgesehenen Briefkasten geschmissen habe…


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen