Mittwoch, 25. November 2015

Kaffee und Burger


Beide Produkte (Kaffee und Burger) mit hoher Konsumintensität sind für mich prägendes Abbild der Kultur der USA. Kaffee, der nicht nur in Büros, sondern vor allem auch im Gehen oder Fahren unterwegs getrunken wird, als Lebenselixier die Kräfte revitalisiert und den Menschen weckt oder noch wach hält, um viel und lange Arbeiten zu können – ganz im Geiste protestantischer Arbeitsethik. In die gleiche Richtung schlägt der Burger als Symbol für Fast Food. Er ist das Konglomerat aus Fleisch, Gemüse, Salat und Brot, enthält somit alle Nährstoffe, die Körper und Geist kräftigen.  In rationalisierter Produktionsweise stehen dem Kunden nach Bestellung Burger schnell zur Verfügung und der Burger ist auch schnell verzehrt.  In der Regel arbeiten an einem Burger mindestens drei oder vier Beschäftigte in strenger Arbeitsteilung. Bei der Speisung wird dann keine unnötige Zeit für die Nahrungsaufnahme vergeudet, die Kosten halten sich im Rahmen und auch hier kann die Schaffenskraft nach vollendetem Genuss wieder zügig ihren Wirkungskreis entfalten. Soviel zu meinen imaginären Bild...
Diese Lebens- und Genussmittel, die in den USA einen hohen Verbreitungsgrad besitzen, weisen auch eine Spannweite an handwerklichen Fähigkeiten bei der Zubereitung auf. Neben dem dominanten Mainstream aus industrieller Fertigung und leider auch finaler Zubereitung, wie teilweise in diesem Blog schon angesprochen, gibt es für an Qualität Interessierte eine Szene, die sich mit perfektionierter Zubereitung und ausgewählten Rohstoffen auseinandersetzt. Gerne bin ich immer mal wieder auf der Suche nach diesen ästhetischen Gegenbewegungen zum Mainstream, nach Lokalitäten und Menschen, die mit Passion und ausgewiesenen Fähig- und Fertigkeiten eine hohe Qualität dieser kulturprägenden Stilmittel erschaffen.
Gestern durfte ich beruflich nach Chicago. Wie der Zufall es wollte, hat sich zwischen den beiden Terminen, in einem Vorort und Downtown Chicago ein Zeitfenster geöffnet, das Raum gegeben hat für ein Mittagessen. Den mitreisenden Kollegen habe ich schnell davon überzeugt, dass ich die Lokalauswahl vornehme. Am Wochenende zuvor wurde ich nämlich telefonisch von meinem Bruder darüber aufgeklärt, dass Chicago sich kulinarisch sehr dynamisch entwickelt und der kulinarischen Nummer eins,  New York, den Rang streitig macht. Ausgerüstet wurde ich dazu noch mit einer digitalen Fotographie des aktuellen Falstaff Magazin, in dem die 12 kulinarischen Top Adressen von Chicago kurz rezensiert sind. Beschreibungen wie: höchstdekoriertestes Restaurant der Stadt, kulinarisches Theater auf Weltniveau… machen zwar neugierig, spielen aber in einer anderen Liga als mein Geldbeutel. Aufmerksam wurde ich allerdings bei der Beschreibung: Fragt man einen Koch oder Gourmet, wo es die besten Burger gibt, sagen alle, im Au Cheval. Und genau dahin hat uns das Taxi auch gebracht. Merkwürdigerweise standen auf dem Bürgersteig des Au Cheval etwa ein Duzend Leute in der Sonne. Worauf die wohl warten wurde uns schnell klar, als wir am Stehpult im Eingangsbereich ankamen und der junge Mann im Holzfällerhemd uns mitteilte, das wir natürlich einen Tisch haben können, es aber etwa noch 45 Minuten dauert. Natürlich warten wir, was ich sonst hasse wie die Pest. Man hinterlässt den Vornamen und die Mobiltelefonnummer und irgendwann kommt dann die SMS, dass man an der Reihe ist. In unserem Fall hat das knapp 55 Minuten gedauert. Innen drin ist der Laden sehr überschaubar. Eine Theke nimmt etwa dreiviertel der  Längsseite des rechteckigen Raumes ein. Im ersten Moment stellt man sich die Frage, wofür diese riesige Theke gut ist, und ob es fünf oder sechs Bedienstete braucht für die Zubereitung der Getränke. Dann entdeckt man die Dunstabzugshauben und erkennt, dass sich hinter der Theke unmittelbar im Raum die Küche befindet. Auch zur Mittagszeit ist es relativ duster, grobe Backsteinwände und massive Holzmöbel prägen auch hier das Ambiente. Die Musik, vor allem um die Mittagszeit empfand ich zu laut, um sich noch normal zu unterhalten. Entschädigt wurde man aber durch die Tatsache, dass die Funk- und Soulmusik von einem alten Tonbandgerät gespielt wird, bei dem die beiden analogen Zeiger vor dem gelblich beleuchteten Hintergrund der Anzeigeskala je nach Aussteuerungsvolumen zu Curtis Mayfields (Move on up) schön tanzen. Das Wasser, das uns unaufgefordert auf den Tisch gestellt wurde, war nicht chlorhaltig und konnte man gut trinken. Bestellt wurde ein Double Cheeseburger mit Bacon. Die Rindfleich-Paddies außen knusprig innen saftig, genauso wie der Bacon, der mindestens zwei Zentimeter dick war und von der Konsistenz sich kaute wie ein gerösteter Marshmallow. Ich schätze, dass ich für meinen Aufenthalt in den USA den Burger-Zenit hier erreicht habe. Ohne Trinkgeld, Steuern, Getränke und den obligatorischen Pommes, die hier mit Schale in Schweineschmalz frittiert werden, muss man allerdings auch 16,50$ auf den Tisch legen. Trotzdem, eine lohnenswerte Investition. Anbei noch ein Foto vom Corpus Delicti, der übrigens mit dem Messer so serviert wird:




Heute nach Feierabend habe ich The Great Lakes Coffee Roasting Company aufgesucht. Auf der Woodward Ave in Detroit Midtown wird eins von zwei Cafés betrieben. Aufgefallen ist mir die Lokalität eigentlich im Detroiter Veranstaltungskalender, da hier nicht nur Kaffeeverköstigungen und -seminare stattfinden, sondern auch Kunst- und Kulturveranstaltungen. Die großzügigen Räumlichkeiten sind nüchtern gestaltet. Rohe Mauerziegel in changierenden Rottönen und massives, dunkles Holz bilden beim Betreten den ersten Eindruck. Das Café bezeichnet sich selbst auch als Community Space. Damit ist nicht nur gemeint, dass hier die Nachbarschaft oder weitere Peergroups sich treffen können, sondern auch, das im Aufbau des Cafés Baustoffe aus leerstehenden und demolierten Gebäuden der Nachbarschaft verwendet und damit quasi recycelt wurden, natürlich von lokalen Handwerksbetrieben. Neben Kaffee wird auch Wein angeboten und verköstigt. Endlich sehe ich hier auch mal Regale mit deutschen Weinen von Nahe, Mosel und Rheingau, wie z.B. vom Weingut Dönnhoff, allerdings zu entsprechenden Importpreisen die Flasche. Die Kaffeebohnen stammen alle aus biologischem Anbau. Hinter der Theke stehen vier mächtige Mühlen von der italienischen Firma Mazzer. Kaffee auf Espressobasis wird mit einer dreigruppigen La Marzocco, Modell: La Strada (mit Paddel zur manuellen Steuerung der Preinfusion) extrahiert. Sehr gut hat mir gefallen, dass es auch gebrühten Kaffee zu kaufen gibt. Auf der Theke findet sich dazu ein U-förmiger Metallständer, in dem oben vier Porzellanfilter reingesteckt sind. Auf Bestellung wird der Porzellanfilter mit einem Papierfilter und einer entsprechenden Menge frisch gemahlenem Kaffee befüllt. Eine Tasse wird unter den Porzellanfilter gestellt. Mit einer schwanenhalsförmigen Stahlkanne, die mit Wasser in der entsprechenden Temperatur befüllt wird, gießt der Barista im ersten Gießschritt nur so viel Wasser in Filter und auf das Pulver, dass beides leicht aufquillt. Nach etwa einer Minute wird dann mit großer Umsicht – ohne das Löcher in der aufgequillten Kaffeepulveroberfläche entstehen (ja, das ist die große Kunst!)  - das Aufgießen vollführt, so dass sich die Tasse mit Kaffee füllt. Alles nach den Regeln der Kunst einen guten Kaffee zu brühen.  Kaffee für unterwegs gibt es natürlich im Pappbecher, Kaffee im Lokal wird glücklicherweise in dickwandigen Tassen serviert, wie es sich gehört.
Bestellt man Espresso, wird man vom Barista über zwei mögliche Bohnensorten aufgeklärt. Ein äthiopische Kaffee in klassischer dunkler Röstung und ein indonesischer in hellerer Röstung. Natürlich habe ich beide als Espresso nacheinander probiert. Einfache Espressi gibt es hier nicht, die Dosierung beginnt beim Doppio. Als erstes dann die helle Röstung gewählt. Perfekte Temperatur, deutliches Beerenaroma mit Säure, aber trotzdem als Emulsion im Mund sehr weich und keineswegs unangenehm.  Anschließend mit Wasser, das auf einer Anrichte zur Selbstbedienung steht (zum Glück ohne den Chlorgeschmack) den Mund neutralisiert. Anschließung habe ich den klassischen Espresso probiert, der mir als schokoladig und rauchig offeriert wurde. Die dicke dunkle Crema war vielversprechend, im Geschmak aber für mich nicht schokoladig, sondern deutlich lakrtizartig und nicht so smooth wie der erste. Aber genau diese Geschmakscharakterisitk trifft meine Erwartung für guten Espresso aus Nordamerika. Er weist insgesamt einen deutlich höheren Säureanteil auf, als es die Europäer und vor allem Italiener gewohnt sind. Hier war ich nicht zum letzten Mal und kann einen Besuch bedenkenlos weiterempfehlen. Geröstete Bohnen kann man hier übrigens auch kaufen. Die Preise liegen, unabhängig von der Sorte – was mich wundert - bei 15$ für 12 Oz, also 340 Gramm. Wer fotografische Impressionen möchte, dem empfehle ich einfach die Startseite mit wechselnden Fotos. http://www.greatlakescoffee.com/

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