Donnerstag, 19. November 2015

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen



Dieser tradierte Spruch sagt mir, dass Nahrungsaufnahme  nicht nur Voraussetzung ist für ein biologisches Leben, sondern daneben auch das Geistige des Menschen bedient und beides im Gleichgewicht halten soll. Die jeweilige Qualität der Lebensmittel, Essgewohnheiten oder Nahrungsaufnahme kann dann auch, in kollektiven Mustern gedacht, eine Stellschraube für die homogene Entwicklung von Geist und Kultur darstellen. Neben diesem Gedankengang hat in meinem Leben die Qualität von Lebensmitteln (wie der Begriff schon selbst sagt) grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Ich denke es ist Zeit meine bisherigen Erfahrungen und Einsichten, was Essen und Trinken betrifft hier einmal zu dokumentieren.
Grundsätzlich ist Essen in Restaurants sehr verbreitet, was die Häufigkeit und auch die Spannweite gesellschaftlicher Schichten betrifft. Der Begriff des Restaurants ist allerdings besser mit den amerikanischen Bezeichnungen der Diners, Drive Ins und Dives zu kategorisieren. Ausgeschlossen habe ich davon jetzt Restaurants, in denen mehrgängige Menüs mit einzelnen Gängen à la carte bestellt werden können. Die es hier zwar gibt, ich aber noch nicht besucht habe. Wir enden also hier in der Mittelklasse. Was nicht heißen soll, dass man in Diners, Drive Ins und Dives zwangsläufig nicht gut Essen kann. Gleichwohl hier deutlich fetthaltig gekocht wird, bzw. mit Fritteuse gearbeitet wird. Findet man allerdings unabhängige Läden, die also nicht zu großen Ketten gehören, kann man mitunter für knappe 15$ eine ordentliche Portion essen, dazu so viel trinken (alkoholfrei), wie man möchte und hat auch schon 20% Trinkgeld bezahlt.
Ich empfinde das Ritual angenehm, dass in jeder Lokalität erstmal ein großes Glas Wasser mit Eis – kostenfrei - auf den Tisch gestellt wird, bevor auch nur die Bestellung aufgegeben wird. In den ersten Tagen nach meiner Ankunft habe ich das Trinkwasser aus dem Wasserhahn noch als ungenießbar bezeichnet, aufgrund des für mich ungewohnten Chlogehaltes, so ertappe mich mit der Zeit zunehmend dabei, das Wasser auch zu trinken. An den Chlorgeschmack scheine ich mich gewöhnt zu haben. Vielleicht bewahrt mich das auch bis zu einem gewissen Grad vor bakteriellen Infektionen. Bestellt man ein alkoholfreies Getränk und ist es zur Hälfte getrunken, erhält man in der Regel von aufmerksamen Bediensteten unaufgeforderte Refills, also regelmäßiges Nachfüllen des Glases bis man das Lokal verlässt.
Insgesamt wird hier weniger Gemüse und deutlich mehr Fleisch, vor allem viel Hühnchen zu sich genommen, davon habe ich persönlich hier allerdings rigoros Abstand genommen. Auch ist der Anteil von Fleisch an einem Gericht hier erheblich höher als in Deutschland. Auf die Spitze getrieben wird das dann in Restaurants, die sich aufs Grillen spezialisiert haben, wie z.B. Slows Bar-B-Q in Detroit. Von Kollegen habe ich gehört, dass man als Deutscher da mal rein sollte. Ich war alleine dort und habe einen Burger mit Pulled Pork gegessen. Von der Qualität war das in Ordnung, der Preis mit einem Glas Bier lag aber über 20$ und damit zu teuer für das Gebotene. Ich stellte jedoch die Ausnahme dar mit meinem Burger. Die Platznachbarn neben mir hatten entweder Rippchen oder Pulled Pork bestellt, und das heißt, man erhält einen weißen Teller mit einer Portion Pulled Pork auf dem Teller, die mengenmäßig einem horizontal halbierten Fußball gleicht, und sonst nichts dazu, oder halt zwei riesige schwarze Rippenbögen und sonst nichts dazu. Soßen, die man selbst auswählen kann, vor allem für die Rippchen, werden vom Kellner in Plastikflaschen auf den Tisch gestellt. Mein Platznachbar hat sich allerdings noch eine Beilage zu seinem Haufen Pulled Pork bestellt. Er erhielt ergänzend noch einen kleinen Teller mit einer Wurst, die man in  Deutschland als Krakauer bezeichnen würde.
Essen ist hier ein eher unmittelbarer Akt, auf eine Verlängerung des Leibes mit Besteck wird soweit wie möglich verzichtet. Rippchen werden natürlich wie Burger – auch die Burger für 10 oder mehr $ im Restaurant – mit den Fingern gegessen. Ich kann mich noch gut dran erinnern, als ich am ersten Abend meiner Anreise nach vielen Stunden Wachzustand vom Flug abends vom Präsidenten unserer kleiner Tochterfirma zum Essen eingeladen wurde und wir beide Burger bestellten. Neugierig habe ich abgewartet, wie jemand in gehobener Stellung das Ding jetzt ist. Die feine amerikanische Art, wie ich es auch zu anderen Zeitpunkten in den kommenden Wochen beobachten konnte, geht folgendermaßen: Man nimmt das Messer und teilt den Burger in der Mitte hälftig. Nach diesem einmaligen grob-chirurgischen Eingriff auf dem Teller, wird das Messer zur Seite gelegt und nicht mehr benötigt. Die Burgerhälften werden dann mit der Hand gegessen. Pommes Frites ißt man sowieso auch vom Porzellanteller mit der Hand. Pizza ißt man in Pizzerien übrigens auch komplett besteckfrei. Auf Hinweis eines Arbeitskollegen und der Rezension des berühmten Guy Fieri habe ich Supino’s Pizza in Detroit besucht und wurde nicht enttäuscht. Wirklich eine schöne Qualität mit dünnem Boden, knuspirg und geschmackvollem Belag. Nicht wie die typischen deep-dish Pizzen, die über eine Stunde in den Ofen müssen und typisch für Chicago sind. Hier übrigens die 3-minutige Rezension von Guy. Man sieht am Ende, wie die Gäste die Pizza bestecklos von der aus Aluminium bestehenden Tortenplatte essen. Auch einem einzelnen Gast wird die Pizza übrigens so serviert. (http://www.foodnetwork.com/restaurants/mi/detroit/supino-pizzeria-restaurant/supino-pizzeria-videos.html) (Die typische drei Minuten Guy Fieri Rezension ist in zwei Videos aufgeteilt, damit man auch keine Werbung verpasst!)
Bemerkenswert finde ich, dass Kartoffelchips in kleinen eingeschweißten Tüten so wie sie auch käuflich im Supermarkt zu erwerben sind,  als Essensbeilage mittags oder abends, z.B. zu einem Sandwich serviert und von den Kunden gerne in Anspruch genommen werden.
Im Verhältnis zu den Lebensmittelpreisen, lässt es sich insgesamt in den einfachen Restaurants günstig satt werden und mit ein wenig Kenntnis der örtlichen  Restaurantszene auch gar nicht mal so schlecht.
Obwohl eigentlich anders erwartet  vor der Anreise sind im Verhältnis zu Deutschlandland die Lebensmittelpreise hoch und die Qualität begrenzt. Ich habe in den letzten Tage zum dritten und wohl vorläufig letzten Mal Mandarinen gekauft. Gerade beim letzten Mal habe ich die Teuersten für 8$ das Kilo gekauft und nach dem Schälen hat man schon fast Trockenfrüchte in der Hand. Interessant finde ich, dass es in der Gemüseabteilung in Supermärkten etwa armlange Aloe Vera Blätter aus Mexiko zu kaufen gibt. Hier muss ich mich unbedingt mal erkunden, wozu die in der Küche verwendet werden. Viel Obst und Gemüse gibt es schon geschnitten und geschält im Kühlregal. Vermutlich sind das Tätigkeiten, auf die man hier gerne verzichtet. Bisher habe ich nur einmal geschälte kleine Möhren gekauft, die allerdings so muffig geschmeckt haben, dass ich den Rest sofort entsorgt habe. Milch im frischen Zustand, idealerweise nicht homogenisiert und nicht pasteurisiert ist mir noch nicht gelungen zu erwerben. Jeglicher Milch ist hier auch Vitamin D zugesetzt – wozu auch immer. Dem Trinkwasser wird neben Chlor übrigens auch Flourid zugesetzt. Äpfel, die ich sehr gerne esse, gibt es in großer Vielfalt, was nicht ungewöhnlich ist zu dieser Jahreszeit. Was mich etwas beunruhigt ist, dass je Sorte – auch bei Bioprodukten – jeder Apfel dem anderen eins zu eins gleicht und makellos ist. In Deutschland kaufe ich bewusst Äpfel, die an der Schale auch mal vereinzelte rauhe Stellen oder etwas Schorf oder wie man das auch immer bezeichnet, aufweisen. Neben der Tatsache, dass ich solche Äpfel als natürliche Lebensmittel verstehe, weisen diese schorfigen Stelle letztlich auch die Vitamin C Konzentrationen auf.
Gehobene Supermärkte backen auch viel selber, wie z.B. Kekse. Vom Ansatz her finde ich das toll, täglich frisch gebackene Kekse kaufen zu können, allerdings sind hier alle Kekse weich und von der Konsistenz so, als wenn man in Deutschland die geöffnet Packung drei Tage in der Sonne liegen lässt. Naja, zumindest krümeln die Kekse hier nicht.
Zum Thema Bier habe ich mich schon einmal geäußert und kann das Geschriebene nur unterstreichen. Freue ich mich in Deutschland in Restaurants oder Kneipen auf ein frisch gezapftes Bier, werde ich das hier tunlichst vermeiden, gezapftes Bier zu bestellen. Denn in der Regel sind die Konzern-/Industriebiere wie Budweiser oder Miller am Zapfhahn. Sogenanntes Craft-beer sind eher in Flaschen erhältlich. Ich trinke gerade jetzt im Moment eine Flasche Bellaire Brown Ale von Short’s Brew. Joe Short kommt aus dem Norden von Michigan, wo die Bevölkerungsdichte sehr gering ist und die Winter richtig kalt sind, hat die Schule früh beendet und bei Brauereien gejobbt, bevor er sich mit Anfang Zwanzig selbständig gemacht hat. Mittlerweile ist Joe Short 13 Jahre im Geschäft und bringt pro Jahr teilweise 100 verschiedene Sorten Bier in kleiner Auflage auf den Markt. Seine Biographie entspricht einem amerikanischen Ideal des Entrepreneurs, der von Null anfängt, hart arbeitet aber auch Spaß an der Arbeit hat und cool drauf ist. Viele seiner Mitarbeiter, die überwiegend ähnlich alt sind wie Joe tragen auch alle Bart, aber das liegt vermutlich an der Region im Norden Michigans. Zum 10-jährigen Bestehen wurde ein schönes, 9-minutiges Video über ihn und seine Firma gedreht, das man sich hier anschauen kann. https://youtu.be/TXV7BQAiv8c Solchen Leuten kaufe ich doch lieber Bier ab, als den großen Industriebrauereien.
Nochmal was ganz anderes: Es hat mich schon betroffen gemacht, dass ich letzte Woche Freitag und Samstag während der längeren Autofahren aus den Radiosendern, die ich bisher gehört habe keine Infos über die Situation in Frankreich erfahren habe. In den Sendern läuft nur Musik oder Werbung. Jetzt habe ich nach systematischer Suche auch NPR gefunden, National Public Radio. Hier laufen ausschließlich gesprochene Sendungen und die wenige Werbung wird vom Sprecher verlesen. Das ist eine sehr informative und besonnene Abwechslung. Die Terroranschläge in Frankreich haben hier übrigens auch eine breite politische Debatte ausgelöst, ob man zukünftig überhaupt noch Flüchtlinge aus Syrien in den USA aufnehmen soll oder gar allen Flüchtlingen aus dem mittleren Osten überhaupt die Einreise verweigern soll zum Schutz der Bevölkerung. Jepp Bush hat den Vorschlag verbreitet, nur noch dem Christentum angehörige Syrer aufzunehmen, Trump will das Problem komplett in Syrien lösen. Globale humanitäre Unterstützungsleistungen rücken schnell in den Hintergrund, wenn man vermeintlich die eigene Bevölkerung schützen möchte. Dass die USA aufgrund ihrer geographischen Lage eine ganz andere Zugangskontrolle für Flüchtlinge per Hafen oder Flughafen hat als Deutschland oder Europa, vermisse ich noch in der gegenwärtigen Diskussion.

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