Dieses Satzfragment ist aus der Nationalhymne der USA zitiert. Für mich ist es eine Beschreibung einer gewissen Geisteshaltung, die in
unterschiedlichen Diskussionen, z.B. über Politik oder auch im Verhalten oder in
Ritualen hierzulande immer Mal wieder zu entdecken ist. Dieser Stolz auf
Freiheit, gerne auch mal angeführt im Gegensatz zur assoziierten Situation in
Russland, erlebe ich als breiten Mainstream; und trotzdem entdeckt man dann
doch manchmal wieder Situationen, die fast schon eine Parodie dazu sind.
Im
Veranstaltungskalender letzten Sonntag in Detroit war morgens um 10:00 Uhr eine
Vietnam Vetrerans Parade angekündigt.
Kundgebung am Hart Plaza und die Parade dann entlang der Jefferson Avenue.
Sonntags morgens hatte ich dann dieses Event schon wieder vergessen, als ich
den Entschluss fasst, bei dem herrlichen Sonnenschein im November doch noch
Laufen zu gehen. Der Hart Plaza im Financial District von Detroit liegt mitten
auf meiner Strecke. Gegenüber dem Hart Plaza, also auf der anderen Seite der
Jefferson Ave. beginnt die Woodward Ave. In der noblen Adresse, Woordward One,
residiert die schon seit über 150 Jahren existierende Fifth Third Bank. Aus knapp
200 Metern Entfernung des Hart Plazas wurde ich durch eine gewisse Unruhe in
der sonst absoluten Sonntag-Morgen-Stille im Finanzdistrict an die Ankündigung
der Parade erinnert. Je weiter ich mich der unmittelbar bevorstehenden
Veranstaltung näherte, nahm ich mehr und mehr eine Musik wahr, die so gar nicht
zur Geisteshaltung der Vietnam Veterans Parade passte. Als ich dann kurz vor
der Woodward One war, konnte ich die Außenlautsprecher der Bank sehen, quasi
auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf der der Paradeaufbau in den
letzten Zügen war. Aus den Lautsprechern (der traditionellen Fifth Third Bank)
tönte die Stimme Jerry Garcia und den Grateful Dead und die spielten gerade Sugaree. Grateful Dead aus den
Lautsprechern der Dirigenten der Finanzmärkte zu hören, ist schon paradox; den
Aufbau der Veterans Parade damait zu begleiten schon fast wieder eine
Persiflage. Ob diese Situation dem Zufall geschuldet war oder sich ein nicht
sichtbarer DJ lächelnd die Hände reibt, muss an dieser Stelle unbeantwortet
bleiben.
Auf dem Rückweg
meiner Strecke war dann die Parade im vollen Gange. Erwartet hatte ich, dass
Menschenmengen die Jefferson Ave. im Stillen Gedenken runter marschieren und
damit die Bevölkerung an die Verteidigung der Freiheitswerte in Vietnam
erinnern. Das war nicht der Fall. Marschmusik von einer Militärkapelle wurde
nur am Hart Plaza gespielt. Auf der Jefferson Ave. fand über mehrere Kilometer
im Schritttempo ein endlos langer Autokorso statt. Die Fahrzeuge waren mit
Fahnen, an Spiegeln oder Fenstern befestig, geschmückt und hupten die ganze
Zeit. Viele Vietnam Veteranen waren auch an einem gemeinsamen Hobby zu
erkennen. Motorradfahren bzw. in speziellen Motorrad Clubs von und für Veteranen
organisiert. Interessant für mich waren, neben der Vielzahl älterer, übergewichtiger
Herren mit über viele Jahre kultivierten
Bärten, gekleidet in Lederjacken über die ärmellose Jeansjacken nicht mehr zu
schließen waren und teilweise vollständig mit vergilbten Aufnähern, versehen
waren, die Motorräder. In Reih und Glied
standen hunderte von Harley Davidson, alle mit dieser für mich merkwürdigen
metallic-farbenen Vollverkleidung. Alle Maschinen waren ausgestattet mit diesen,
in Form einer Raute, stromlinienförmigen Koffern, ebenfalls in derselben Metalliclackierung
ausgeführt wie der Rest der Verkleidung. Die Modell-Typologie dieser Motorräder
hat mich nie sonderlich interessiert, jetzt weiß ich allerdings, für wen diese
Serien aus der Firma in Milwaukee am Lake Michigan produziert werden.
Gestern, am
11.11.2015, war USA-weit Veterans Day. Bis dahin nahm ich an, dass dieser Tag
zu Ehren der Überlebenden aus dem Vietnamkrieg zelebriert wird. Aber nein, weit
gefehlt, es werden alle, die an Kriegseinsätzen teilgenommen haben oder sich
auch (nur) durch Teilnahme am Militärdienst dem möglichen Kriegseinsatz zur Verfügung
gestellt haben, geehrt. So bekamen
gestern auch in unserem Unternehmen alle diejenigen, die sich dem Militärdienst
in ihrer Biografie zur Verfügung gestellt haben, ein Dankesschreiben aus der
Personalabteilung.
Ich glaube bisher
saßen dreimal in meiner unmittelbaren Nähe
in Restaurants durch Uniform erkennbare Militärangehörige. Bei jedem Mal kam
mindestens ein älterer Herr auf die jungen Soldaten zu, erkundigte sich, wo sie
stationiert sind, schüttelte ernsthaft die Hände, sprach jedem einen Dank aus
und wünschte alles Gute. Eine Berufsgruppe hier, die hohe gesellschaftliche
Anerkennung erfährt.
Für den Abend des Veterans Day hatte ich mir eigentlich
schon Tage vorher eine kulturelle Veranstaltung im Eventkalender von Detroit markiert.
Im Museum of Contemporary Art sollte ein Dokumentarfilm gezeigt werden mit dem
Titel: Industrial music of the urban decy.
Am Tag vor dem Vetrerans Day sprach mich allerdings ein Arbeitskollege an, ob
ich ihn nicht Morgen am frühen Abend zu einem Sport begleiten möchte, der mir
bisher noch außerst fremd war – hier allerdings recht populär ist. Ich sagte
natürlich zu.
Ehrlich gesagt
hatte ich keine Vorstellung, wie in den USA eine „Gun Ranch“ von Innen
aussieht. Die Industriehalle besteht aus dem Schießbereich und einem
großzügigen Vorraum. Man füllt ein einseitiges Formular aus, mit persönlichen Angaben
,z.B. wer zu informieren ist im Case of
Emergency; mit Kürzeln muss man bestätigen, dass man die Regeln zur
Kenntnis genommen hat, z.B. dürfen Kinder nur in Aufsicht der Eltern oder
anderer volljähriger Aufsichtspersonen schießen. Neben den mitgebrachten
Waffen, gibt es auch allerhand Schusswaffen, unterschiedlicher Intensität,
gegen Gebühr zu leihen. Zum Abschluss der kurzen Anmeldeprozedur muss man sich
dann noch für eins von sieben Postern entscheiden, die als Zielscheibe fungieren. Ich
war sehr beruhigt zu sehen, dass dem Gender-Aspekt hier Rechnung getragen wird
und bei den Darstellungen auf den Zielscheiben Diskriminierung der Geschlechter
aktiv vermieden wird. Anbei ein kleiner spontaner fotographischer Eindruck des
Anmelde-Tresens.
Im Hauptraum, in
dem auch einige Zeitgenossen vollautomatische Gewehre mit ohrenbetäubendem Lärm
bedienten, konnte man sich kaum verständigen, da man sowieso Gehörschutz tragen
muss. Ich bin mir nicht sicher, ob es Schall- oder Druckwellen waren (oder ist
das in diesem Fall eigentlich das Gleiche?), die noch aus knapp 20 Meter
Entfernung vom Schützen, der mit beiden Fäusten sein automatisches Gewehr
gehalten und abgefeuert hatte, den gesamten Körper der Anwesenden zum Zittern
brachte.
Nach dem der Arbeitskollege
etwas an seiner Tasche rumgenestelt hatte, winkte er mich mit dem Zeigefinger
heran, deutete auf die am Abschusstresen vor ihm geladene 8mm Beretta und zeigte
auf mich. Ohne jegliche weitere Instruktion nahm ich die Waffe in beide Hände,
so wie man es aus Filmen kennt. Es war schon ein merkwürdiges Gefühl, das erste
Mal im Leben eine schussbereite Waffe in der Hand zu halten - ohne weitere
Instruktion - und ganz kurz darüber
nachzudenken, zu welchem Zweck dieses metallene Instrument mit ausgefeilter
Ingenieurskunst eigentlich entwickelt wurde und jetzt Einsatzbereit ist. Ich war nach dem ersten Schuss doch überrascht, wie intensiv sich der Rückschlag anfühlt und dass die
leere Patronenhülse nach dem Abschuss mitunter auf den eigenen Kopf fliegt. In
der Zeit, in der ich das Magazin leer geschossen habe, hat der Kollege seinen Smith
& Wesson Revolver mit 0.357 Großkaliber Patronen beladen und mir in die Hand gedrückt. Durch den Gehörschutz konnte man sich kaum verständigen,
ich interpretierte seinen Satz als be
careful, it’s stronger. Und in der Tat, das hätte ich nicht erwartet.
Rückschlag und vor allem auch Lautstärke und Druckwellen beim ersten Schuss
haben dazu geführt, dass ich intuitiv, unmittelbar vor jedem weiteren Abzug die
Augen kurz zukneifen musste. Beim letzten der sechs Schüsse habe ich bewusst versucht,
die Augen aufzuhalten, mein neu konditionierter Reflex hat das allerdings nicht
zugelassen. Nach dieser Erfahrung darf man sehr große und berechtigte Zweifel anmelden,
an dem, was die Revolverhelden in dem ein oder anderen Western an Schießkunst zu
bieten haben. Die 0.22 Sig Sauer, die weltweit gerne bei Polizei und Militär
zum Einsatz kommt, hat sich danach wie eine Karnevalspistole aus Kindertagen
angefühlt.
Durch Beobachtung
der anderen Grüppchen, ausschließlich Männer zu dem Zeitpunkt meiner Anwesenheit,
konnte man erkennen, das über non-verbale Kommunikation zu einem nicht ganz
unwichtigen Thema, bedenkt man, dass im
Jahr 2014 in den USA auf 100 Einwohner 112,6 Schusswaffen in Zivilbesitz
kommen, doch scheinbar große Verständigung und Gemeinsinn möglich ist.
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