Dienstag, 19. Januar 2016

Was gibt es Neues zu berichten



Die letzten Tage waren ereignisreich. Verschiedene Themen kamen auf,  die sich nicht homogen zuordnen lassen, deshalb mal wieder ein chronologischer Versuch.
Mittlerweile ist hier auch der Winter eingekehrt. Die komplette letzte Woche war kalt! Das heißt hier tagsüber rund um die -10 Grad Celsius und Nachts gerne auch -20 Grad Celsius. Dazu kommt dann teilweise eine Windgeschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, die die Temperatur noch deutlich kälter erscheinen lässt. Trotzdem mag ich es, wenn es schneit. Anbei mal ein Blick aus meinem Fenster an einem späten Abend aus der letzten Woche.

Um den Straßenverkehr durch die Witterung nicht aufzuhalten, werden hier vor die  Pick-up Trucks Schaufeln gespannt, die die  Fahrzeugbreite an jeder Seite noch um etwa 50 cm überschreiten und Schneemassen beiseite schieben.  Am effektivsten scheint mir hier aber der Einsatz von Streusalz, vor allem um das festgefahrene Eis auf den Straßen zu entfernen. Und mit Streusalz wird hier sonderlich nicht sparsam umgegangen. Teilweise sind es Kipplaster, die ihre Klappe hinten einfach einen kleinen Spalt weit offen lassen während der Fahrt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir vor einigen Jahren in Deutschland eine Diskussion hatten, mit welchen Mitteln man Bürgersteige und Straßen von Schnee und Eis befreien sollte. In diesem Kontext wurde aus umweltschutzgründen von Salz immer abgeraten. Hier ist man sich manchmal nicht sicher, ob man Schnee oder Salz auf der Straße vor sich hat. In meiner Wahrnehmung hat die Anzahl der verbeulten und beschädigten Autos seit dem Wintereinbruch zugenommen, das mag vielleicht aber auch nur daran liegen, dass meine Wahrnehmung für diese Spezies aktuell sensibilisiert ist.
Donnerstag nachmittag habe ich dann den Entschluss gefasst, aus der Kälte kurzfristig zu fliehen und ein verlängertes Wochenende in Florida in den Keys zu verbringen. Montag war  Feiertag in Gedenken an die Ermordung von Martin Luther King. Um die Buchung von Flug und Mietwagen vorzunehmen, habe ich allerdings noch auf Antwort von meiner entfernten Verwandtschaft gewartet, die dort heimisch ist. Freitag früh war leider immer noch keine Antwort eingegangen. Wie jeden Morgen habeich dann die Treppe genommen und bin die sieben Stockwerke in die Tiefgarage gelaufen zu meinem Auto. Am Auto angekommen habe ich mich geärgert, welcher Depp denn unmittelbar neben meinem Auto eine oder mehrere Bierflaschen hat fallenlassen – alles voll mit Scherben. Nachdem ich eingestiegen war,  war irgendwas komisch, anders als sonst. Der Motor war noch nicht gestartet, ich habe den Kopf gedreht und gesehen, dass hinten ein Autoscheibe fehlt. Dann schnell ausgestiegen und festgestellt, dass das Glas von meiner getönten  Rücksitzscheibe stammt, die über Nacht eingeschlagen und fein säuberlich aus dem Rahmen entfernt hat. Ich hätte mich wohl nicht wie in Deutschland - so wie in den letzten Jahren gewohnt - verhalten dürfen. In der videoüberwachten Tiefgarage sollte man nicht ein tomtom Navigationsgerät, kostet es auch nur 120$, sichtbar im Fahrzeug lassen. Nach dem ersten Schreck wieder zurück ins Apartment, im Büro angefragt, welche Riten jetzt einzuhalten sind. Brauchen wir Polizei? Nein. Wir brauchen nur die von der Versicherung vorgesehene Firma, die raus kommt und die Scheibe ersetzt. Die hat allerdings Freitags keinen Termin mehr frei und da war doch noch das Florida Thema. Ok, also das Hausmanagement in Kenntnis gesetzt und um Hilfe gebeten, dort den Zweitschlüssel vom Fahrzeug hinterlegt und einen Termin für Montag nachmittag zwischen 12:00 und 17:00 vereinbart und natürlich alle Kontaktdaten des Hausmanagements bei den Glasleuten hinterlassen. So wie ich die Servicementalität hier kennengelernt habe, bekam ich das Gefühl nicht los, dass ich Dienstags aus Florida kommen könnte und die Scheibe wäre repariert. Um das Ergebnis vorwegzunehmen. Montags um 09:30 habe ich in Florida einen Anruf erhalten, dass der Mechaniker vor der Tür stehe und fragt, wo ich bin. Erneut habe ich die Telefonnummer des Hausmanagements, die ich sicherheitshalber mit nach Florida genommen habe durchgegeben. 15 Minuten später hat der Mechaniker wieder angerufen und mir mitgeteilt, dass das Auto aus der Tiefgarage gefahren werden muss, um es zu reparieren, er das aber nicht darf und die Kollegin vom Hausmanagement sich das nicht zutraut. Auch wenn ich telefonisch Erlaubnis erteile, sei er nicht befugt ein Kundenfahrzeug zu bewegen. Also einen weiteren Termin für Mittwoch Morgen vereinbart.  Schauen wir mal… 
Auf die Frage, ob ich Kriminalität in Detroit schon kennengelernt habe, kann ich jetzt nach vier Monaten auch endlich der suggestiven Erwartung des Fragestellers entsprechen und mit "ja" antworten.
Während der Koordination zwischen Hausmanagement und Autoglasfirma, kam dann gerade passend die Nachricht, dass ich am nächsten Morgen herzlich Willkommen sei in den Keys in Florida. Gut, dann schnell den Flug gebucht, und überlegt, wie ich in 18 Stunden ohne Auto zum Flughafen komme.
Mein Apartment liegt ziemlich genau 20 Meilen vom Flughafen entfernt. Es gibt zwei große Taxiunternehmen, die einen Festpreis zwischen 65 und 70$ für die Fahrt zwischen Flughafen und Detroit Downtown festgesetzt haben. Dazu gibt man in der Regel noch etwa 20% Trinkgeld. Drei Tage am Flughafen parken kostet hier weniger als ein Drittel der beiden Fahrten. Dann habe ich mich erinnert, dass in der Firma keiner mehr von Taxis spricht, sondern alle nur noch ganz gewöhnlich den Begriff Uber verwenden, wenn man irgendwohin gefahren werden muss. Mir fallen bei dem Begriff Uber Bilder aus den Sensationsmedien in Deutschland ein, wo Taxifahrer in der Hauptstadt Uberfahrer verjagen. Uber ist in Deutschland aus rechtlichen Gegebenheiten der kommerziellen Personenbeförderung nicht sehr populär bzw. (noch?) in der Diskussion. Hier ist das anders, hier wird kein Personenbeförderungsschein benötigt. Am Abend habe ich dann die App geladen, mich angemeldet und den allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestimmt. Dann noch ein Youtube video geschaut, wie man die App bedient, so dass ich nicht schon am Abend eine Fahrzeugflotte zu meinem Apartment lotse und alle dafür automatisiert bezahlt werden - von meinem Konto.
Bei Uber registrieren sich Fahrer und Mitfahrer. Fahrer sind Subkontraktoren und keine Angestellten. Uber bringt die beiden zusammen und reguliert die Preisgestaltung. Graphisch und logisch ist die App ein wirklich schönes System, der eigene Standort lässt sich per Google Apps identifizieren und im Umkreis auf den Straßen sieht man kleine Autos ganz langsam fahren, die man kontaktieren kann und die einen dann abholen. Im Vorhinein wird das Fahrzeugmodell, Nummernschild, ein Foto des Fahrers und die Bewertung anderer Mitfahrer über den Fahrer bekannt gegeben. Nach Fahrerauswahl und Zieleingabe wurden mir drei Minuten Wartezeit avisiert und ich konnte am Display des Smartphones verfolgen, wie das kleine Auto sich mit meinem Fahrer zu mir bewegt, an zwei Ampeln kurz warten musste und dann bei mir vor der Tür steht. Der Fahrer ist in den 1980er Jahren aus Afghanistan in die USA  emigriert, hat dann von der Otto Benecke Stiftung ein Stipendium erhalten und in Marburg, Bonn und Düsseldorf Wirtschaft studiert. Anschließend Karriere bei einer Bank gemacht und ist als Vice President vor einigen Jahren in den Ruhestand gegangen. Zurück in die USA gegangen zu sein, betrachtet er heute als Fehler.  Die beiden spät bekommenen Kinder studieren aktuell in China und Japan. Im Norden von Michigan besitzt er zwei Ferienhäuser, um die er sich kümmert, um Langeweile zu vertreiben. Die Fahrten für Uber macht er, damit er mit Menschen in Kontakt kommt und bleibt. Das war eine äußerst angenehme Fahrt und Kommunikation. Auch bei der Rückfahrt heute ist ein verwitweter Rentner gefahren, der  finanziell seine jüngste Tochter unterstützt und gerne einmal im Jahr zum Golfspielen einen Urlaub in Florida macht. Dafür reicht die Rente nicht, aber mit den ergänzenden Einnahmen aus den Fahrten für Uber geht das. Auch hier war es eine äußerst freundliche Kommunikation und eine ganz angenehme Fahrt. Zu meiner großen Überraschung haben die beiden Fahrten jeweils 22$ gekostet, die automatisch von meinem VISA Konto abgebucht werden. Trinkgeld gibt man bei Uber nicht. Wie mir der erste Fahrer bestätigt hat, gehen 30%, also 6,60$, davon an Uber. Von den verbleibenden 15,40 $ der etwa 30 minutigen Fahrtzeit muss noch Sprit bezahlt werden. Dann gibt es natürlich immer noch Wartezeit bis man einen nächsten Kunden findet. Reich wird man so sicherlich nicht.
Nach dieser Erfahrung verbleiben gemischte Gefühle: Schädigt man die Taxifahrerzunft? Warum fällt mir gerade jetzt der Begriff Taximafia ein? Unterstützt man prekäre Beschäftigungsverhältnisse, oder schafft man doch ergänzende Erwerbschancen für Beschäftigte in prekären Beschäftigungsverhältnissen? Akzeptiert man den Wandel von Mobilitätskonzepten und das der Zenit der Taxibranche überschritten ist?  Ist Uber in der heutigen Form eine Zwischenlösung  und bietet Uber in Zukunft selbstfahrende Fahrzeuge an? Uber wurde übrigens jüngst auf einen Wert von etwa 50 Milliarden Dollar geschätzt. Wenn die mit Google und noch zwei drei anderen großen Konzernen kooperieren wird das sicherlich spannend.

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