Die letzten Tage
waren ereignisreich. Verschiedene Themen kamen auf, die sich nicht homogen
zuordnen lassen, deshalb mal wieder ein chronologischer Versuch.
Mittlerweile ist
hier auch der Winter eingekehrt. Die komplette letzte Woche war kalt! Das heißt
hier tagsüber rund um die -10 Grad Celsius und Nachts gerne auch -20 Grad Celsius.
Dazu kommt dann teilweise eine Windgeschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, die die
Temperatur noch deutlich kälter erscheinen lässt. Trotzdem mag ich es, wenn es
schneit. Anbei mal ein Blick aus meinem Fenster an einem späten Abend aus der letzten
Woche.
Um den
Straßenverkehr durch die Witterung nicht aufzuhalten, werden hier vor
die Pick-up Trucks Schaufeln gespannt,
die die Fahrzeugbreite an jeder Seite noch
um etwa 50 cm überschreiten und Schneemassen beiseite schieben. Am
effektivsten scheint mir hier aber der Einsatz von Streusalz, vor allem um das
festgefahrene Eis auf den Straßen zu entfernen. Und mit Streusalz wird hier
sonderlich nicht sparsam umgegangen. Teilweise sind es Kipplaster, die ihre Klappe
hinten einfach einen kleinen Spalt weit offen lassen während der Fahrt. Ich
kann mich noch gut daran erinnern, dass wir vor einigen Jahren in Deutschland
eine Diskussion hatten, mit welchen Mitteln man Bürgersteige und Straßen von
Schnee und Eis befreien sollte. In diesem Kontext wurde aus umweltschutzgründen
von Salz immer abgeraten. Hier ist man sich manchmal nicht sicher, ob man
Schnee oder Salz auf der Straße vor sich hat. In meiner Wahrnehmung hat die
Anzahl der verbeulten und beschädigten Autos seit dem Wintereinbruch
zugenommen, das mag vielleicht aber auch nur daran liegen, dass meine
Wahrnehmung für diese Spezies aktuell sensibilisiert ist.
Donnerstag
nachmittag habe ich dann den Entschluss gefasst, aus der Kälte kurzfristig zu
fliehen und ein verlängertes Wochenende in Florida in den Keys zu verbringen. Montag
war Feiertag in Gedenken an die
Ermordung von Martin Luther King. Um die Buchung von Flug und Mietwagen
vorzunehmen, habe ich allerdings noch auf Antwort von meiner entfernten
Verwandtschaft gewartet, die dort heimisch ist. Freitag früh war leider immer
noch keine Antwort eingegangen. Wie jeden Morgen habeich dann die Treppe genommen und bin die sieben
Stockwerke in die Tiefgarage gelaufen zu meinem Auto. Am Auto angekommen habe ich mich geärgert, welcher Depp denn unmittelbar neben meinem Auto eine oder
mehrere Bierflaschen hat fallenlassen – alles voll mit Scherben. Nachdem ich
eingestiegen war, war irgendwas komisch,
anders als sonst. Der Motor war noch nicht gestartet, ich habe den Kopf gedreht
und gesehen, dass hinten ein Autoscheibe fehlt. Dann schnell ausgestiegen und
festgestellt, dass das Glas von meiner getönten
Rücksitzscheibe stammt, die über Nacht eingeschlagen und fein säuberlich
aus dem Rahmen entfernt hat. Ich hätte mich wohl nicht wie in Deutschland - so wie in
den letzten Jahren gewohnt - verhalten dürfen. In der videoüberwachten Tiefgarage
sollte man nicht ein tomtom Navigationsgerät, kostet es auch nur 120$, sichtbar
im Fahrzeug lassen. Nach dem ersten Schreck wieder
zurück ins Apartment, im Büro angefragt, welche Riten jetzt einzuhalten sind.
Brauchen wir Polizei? Nein. Wir brauchen nur die von der Versicherung
vorgesehene Firma, die raus kommt und die Scheibe ersetzt. Die hat allerdings
Freitags keinen Termin mehr frei und da war doch noch das Florida Thema. Ok,
also das Hausmanagement in Kenntnis gesetzt und um Hilfe gebeten, dort den
Zweitschlüssel vom Fahrzeug hinterlegt und einen Termin für Montag nachmittag
zwischen 12:00 und 17:00 vereinbart und natürlich alle Kontaktdaten des
Hausmanagements bei den Glasleuten hinterlassen. So wie ich die Servicementalität hier kennengelernt
habe, bekam ich das Gefühl nicht los, dass ich Dienstags aus Florida kommen
könnte und die Scheibe wäre repariert. Um das Ergebnis vorwegzunehmen. Montags
um 09:30 habe ich in Florida einen Anruf erhalten, dass der Mechaniker vor der
Tür stehe und fragt, wo ich bin. Erneut habe ich die Telefonnummer des
Hausmanagements, die ich sicherheitshalber mit nach Florida genommen habe
durchgegeben. 15 Minuten später hat der Mechaniker wieder angerufen und mir
mitgeteilt, dass das Auto aus der Tiefgarage gefahren werden muss, um es zu
reparieren, er das aber nicht darf und die Kollegin vom Hausmanagement sich das
nicht zutraut. Auch wenn ich telefonisch Erlaubnis erteile, sei er nicht befugt
ein Kundenfahrzeug zu bewegen. Also einen weiteren Termin für Mittwoch Morgen
vereinbart. Schauen wir mal…
Auf die Frage, ob ich Kriminalität in Detroit schon kennengelernt habe, kann ich jetzt nach vier Monaten auch endlich der suggestiven Erwartung des Fragestellers entsprechen und mit "ja" antworten.
Auf die Frage, ob ich Kriminalität in Detroit schon kennengelernt habe, kann ich jetzt nach vier Monaten auch endlich der suggestiven Erwartung des Fragestellers entsprechen und mit "ja" antworten.
Während der
Koordination zwischen Hausmanagement und Autoglasfirma, kam dann gerade passend die Nachricht,
dass ich am nächsten Morgen herzlich Willkommen sei in den Keys in Florida.
Gut, dann schnell den Flug gebucht, und überlegt, wie ich in 18 Stunden ohne Auto zum
Flughafen komme.
Mein Apartment
liegt ziemlich genau 20 Meilen vom Flughafen entfernt. Es gibt zwei große
Taxiunternehmen, die einen Festpreis zwischen 65 und 70$ für die Fahrt zwischen
Flughafen und Detroit Downtown festgesetzt haben. Dazu gibt man in der Regel
noch etwa 20% Trinkgeld. Drei Tage am Flughafen parken kostet hier weniger als
ein Drittel der beiden Fahrten. Dann habe ich mich erinnert, dass in der Firma
keiner mehr von Taxis spricht, sondern alle nur noch ganz gewöhnlich den Begriff
Uber verwenden, wenn man irgendwohin gefahren werden muss. Mir fallen bei dem
Begriff Uber Bilder aus den Sensationsmedien in Deutschland ein, wo Taxifahrer in der Hauptstadt
Uberfahrer verjagen. Uber ist in Deutschland aus rechtlichen Gegebenheiten der
kommerziellen Personenbeförderung nicht sehr populär bzw. (noch?) in der Diskussion. Hier
ist das anders, hier wird kein Personenbeförderungsschein benötigt. Am Abend
habe ich dann die App geladen, mich angemeldet und den allgemeinen
Geschäftsbedingungen zugestimmt. Dann noch ein Youtube video geschaut, wie man
die App bedient, so dass ich nicht schon am Abend eine Fahrzeugflotte zu meinem
Apartment lotse und alle dafür automatisiert bezahlt werden - von meinem Konto.
Bei Uber
registrieren sich Fahrer und Mitfahrer. Fahrer sind Subkontraktoren und keine Angestellten. Uber bringt die beiden zusammen und
reguliert die Preisgestaltung. Graphisch und logisch ist die App ein wirklich schönes System,
der eigene Standort lässt sich per Google Apps identifizieren und im Umkreis
auf den Straßen sieht man kleine Autos ganz langsam fahren, die man
kontaktieren kann und die einen dann abholen. Im Vorhinein wird das
Fahrzeugmodell, Nummernschild, ein Foto des Fahrers und die Bewertung anderer
Mitfahrer über den Fahrer bekannt gegeben. Nach Fahrerauswahl und Zieleingabe wurden mir drei
Minuten Wartezeit avisiert und ich konnte am Display des Smartphones verfolgen,
wie das kleine Auto sich mit meinem Fahrer zu mir bewegt, an zwei Ampeln kurz
warten musste und dann bei mir vor der Tür steht. Der Fahrer ist in den 1980er
Jahren aus Afghanistan in die USA emigriert,
hat dann von der Otto Benecke Stiftung ein Stipendium erhalten und in Marburg,
Bonn und Düsseldorf Wirtschaft studiert. Anschließend Karriere bei einer Bank
gemacht und ist als Vice President vor einigen Jahren in den Ruhestand gegangen. Zurück in die USA gegangen
zu sein, betrachtet er heute als Fehler. Die beiden spät bekommenen Kinder studieren aktuell
in China und Japan. Im Norden von Michigan besitzt er zwei Ferienhäuser, um die
er sich kümmert, um Langeweile zu vertreiben. Die Fahrten für Uber macht er,
damit er mit Menschen in Kontakt kommt und bleibt. Das war eine äußerst angenehme
Fahrt und Kommunikation. Auch bei der Rückfahrt heute ist ein verwitweter
Rentner gefahren, der finanziell seine
jüngste Tochter unterstützt und gerne einmal im Jahr zum Golfspielen einen Urlaub
in Florida macht. Dafür reicht die Rente nicht, aber mit den ergänzenden Einnahmen aus den Fahrten für Uber geht das. Auch
hier war es eine äußerst freundliche Kommunikation und eine ganz angenehme
Fahrt. Zu meiner großen Überraschung haben die beiden Fahrten jeweils 22$
gekostet, die automatisch von meinem VISA Konto abgebucht werden. Trinkgeld
gibt man bei Uber nicht. Wie mir der erste Fahrer bestätigt hat, gehen 30%, also 6,60$, davon an Uber. Von den
verbleibenden 15,40 $ der etwa 30 minutigen Fahrtzeit muss noch Sprit bezahlt
werden. Dann gibt es natürlich immer noch Wartezeit bis man einen nächsten
Kunden findet. Reich wird man so sicherlich nicht.
Nach dieser
Erfahrung verbleiben gemischte Gefühle: Schädigt man die Taxifahrerzunft? Warum
fällt mir gerade jetzt der Begriff Taximafia ein? Unterstützt man prekäre Beschäftigungsverhältnisse,
oder schafft man doch ergänzende Erwerbschancen für Beschäftigte in prekären
Beschäftigungsverhältnissen? Akzeptiert man den Wandel von Mobilitätskonzepten
und das der Zenit der Taxibranche überschritten ist? Ist Uber in der heutigen Form eine
Zwischenlösung und bietet
Uber in Zukunft selbstfahrende Fahrzeuge an? Uber wurde übrigens jüngst auf einen Wert von
etwa 50 Milliarden Dollar geschätzt. Wenn die mit Google und noch zwei drei
anderen großen Konzernen kooperieren wird das sicherlich spannend.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen