Samstag, 9. Januar 2016

Kurzbesuch bei den Nachbarn



Kleine Testfrage zur Allgemeinbildung: Welches Land liegt südlich von Detroit???  Mexico ist es nicht ... es ist Kanada! Überwindet man den Detroit River gen Süden ist man ruckzuck am südlichsten Zipfel von Ontario und auch von Kanada, nämlich in der Stadt Windsor.
Gestern habe ich den Entschluss gefasst nicht nur nach Windsor über den Detroit River zu schauen, sondern heute am Samstag auch mal hinzufahren. Es gibt zwei Wege von Detroit nach Windsor, über die Ambassador Bridge oder durch einen Tunnel unter dem Detroit River durch. Ich habe mich für den Tunnel entschieden. Von meiner Tiefgarage aus sind es nur 5 Minuten Autofahrt, bis man am Kassenhäuschen steht und als erstes fünf Dollar Maut entrichten darf. Anschließend fährt man in den Tunnel. Nach kurzer Fahrtzeit ist man wieder draußen. Ich war mir gar nicht sicher, ober ich jetzt schon in Kanada bin, oder ob ich nur eine Wartestrecke überwunden habe und mich die amerikanischen Behörden erstmal  formal verabschieden, wenn ich das Land verlasse. Tatsächlich war ich schon in Kanada. Am Grenzhäuschen wurde mein Reisepass geprüft und anschließend wurde ich gebeten, das Fahrzeug auf einem überschaubaren Parkplatzareal abzustellen und mich zur weiteren Überprüfung zu Fuß zum Immigration Office zu begeben. Was soll das, alle Autos neben mir an den anderen Grenzhäuschen durften nach kurzer Passkontrolle sofort weiter fahren. Sicherlich war dies nur einer  Zufallsauswahl für die intensive Kontrolle geschuldet. In der Behörde war noch nicht viel los, ich kam direkt dran, mir wurden ein paar Fragen gestellt, dann musste ich meinen Pass abgeben, mich hinsetzten und nochmal fünf Minuten warten. Dann war der Stempel im Pass und ich durfte einreisen.
Nach kurzem Kreuz- und Querfahren durch die Innenstadt habe ich Kurs aufs Wasser genommen und bin erstmal die kanadische Seite des Detriot Rivers hochgefahren bis zum Lake St. Claire, von wo aus man das Festland der USA dann irgendwann nicht mehr sehen kann. Hier verhält es sich wie in den USA: die großzügigen, noblen Häuser mit den gepflegten Grundstücken beginnen erst nachdem man Windsor verlassen hat. Fast alle der Kanadier, die ich aus dem Auto am Samstag vormittag gegen 10:00 Uhr auf dieser Route sehen konnte, waren Läufer. Das liegt vermutlich daran, dass ein schön angelegter Fußweg am Wasser existiert, der geradezu zum Laufen einlädt. Immer mal wieder gelangt man auch an gepflegte kleine  Grünflächen und Spielplätze am Wasser, die sicherlich im Sommer von der Öffentlichkeit genutzt werden.  Anschließend wieder Kurs auf das Stadtzentrum von Windsor genommen und vorher noch die größte Shopping Mall der Region angesteuert.  Im Verhältnis zu meiner Referenzwährung, den Euro, hat sich der kanadische Dollar ja ganz anders entwickelt als der US-Dollar. Das hat sich allerdings relativ schnell als Zeitverschwendung herausgestellt.  Überwiegend Ramsch- und Billigläden mit Produkten, die die Menschheit nicht braucht, haben sich hier niedergelassen. Danach das Fahrzeug kostenpflichtig geparkt und zu Fuß die Innenstadt durchkreuzt.
Erwartungen hatte ich keine an die Stadt Windsor. Das einzige Bild, was ich im Kopf hatte, war der Blick von der Detroit Riverfront nach Windsor. Dabei  bleibt vor allem das Cesars Casino in Erinnerung. Es ist vermutlich das höchste Gebäude in der Stadt und trägt den Cesars Schriftzug so, dass man es auch noch locker von Detroit aus lesen kann. Auffallend war in den Straßen der Innenstadt die hohe Dichte an chinesischen und asiatischen Restaurant, genauso wie an Zigarren und Rauchläden, die entweder die Wörter Havanna und Cuba im Namen tragen. Im Gegensatz zu den USA hat Kanada Handel mit Cuba betrieben und vermutlich ordentlich Zigarren importiert, die dann wiederum von US-Bürgern  nach der Tunneldurchquerung geraucht werden. Im Gegensatz zu Detroit gibt es hier verhältnismäßig viele Grünfläche und Parks. Von der Architektur ist die knapp 200.000 Einwohner starke Stadt allerdings wirklich arm dran. Die meisten Hochhäuser in der Innenstadt sind vermutlich in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren gebaut worden. Vom Stil her sind die Häuser noch relativ nahe am Plattenbau der DDR angelehnt. Manchmal sind die Fassaden etwas aufgelockert, aber das war es dann auch schon. Ich habe mich hier nicht wohlgefühlt und habe schon am frühen Nachmittag wieder den Tunnel  zum Land der unbegrenzten Möglichkeiten angesteuert. Die Tunnelrückfahrt war ein reines Stop-and-Go-Fahren. So kann man sich innerlich schon mal auf langwierige Kontrollen bei den Einreisebehörden einstellen. Aufgefallen ist mir übrigens auch, dass es in dem weißgekachelten einspurigen Tunnel ohne Bürgersteig unter dem Detroit River nicht einen einzigen Notausgang gibt. Wenn hier unten  mal ein Fahrzeug  Feuer fängt, wird es nicht lustig für die anderen Verkehrsteilnehmer. Erblickt man nach dem Tunnel wieder das Tageslicht, ist man überrascht, dass zwei Beamte die Autos aus dem einspurigen Tunnel den sieben Grenzhäuschen zuordnen, so dass es dort dann auch überraschend zügig weiter geht. Dann am Grenzhäuschen den Reisepass vorgelegt, die getönten Rückscheiben einmal kurz runter- und wieder raufgefahren, die üblichen  vier bis fünf Fragen beantwortet und Schwupps war ich wieder in Detroit. Das ging schnell, viel schneller als bei den misstrauischen kanadischen Beamten.
Als abschließendes Urteil kann ich Windsor für einen Besuch nicht empfehlen, zumindest nicht zu dieser Jahreszeit, im Sommer mag es evtl. ganz nett sein am Ufer. Das Einzige was ich von diesem kleinen Besuch der Nachbarn mitgebracht habe, ist ein Foto der Detroit Skyline - von Kanada aus fotografiert.


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