Nachdem die Apartmentsuche
noch nicht beendet wurde, entschied ich mich, von Freitag bis Montag früh in ein
Hotel in Detroit Downtown zu ziehen, um am Wochenende die Stadt zu erkunden.
Detroit ist mit fast
700.000 Einwohnern die größte Stadt Michigans und neben Toronto und Chicago eins der drei
wirtschaftlichen und kulturellen Zentren der Region der Großen Seen. Als ich
diesen Entschluss Freitagnachmittag einer Arbeitskollegin mitgeteilt habe, war
ihre rhetorische Frage nur: You have a car? Ja, klar, habe ich - und für die
Apartmentsuche auch schon dreiviertel des Tanks leer gefahren. Deshalb meine
Überlegung: Detroit zu Fuß kennenzulernen. Bewegung ist in der ersten Woche USA
sowieso viel zu kurz gekommen.
Einchecken im Hotel:
19:00 Uhr, der Magen meldet sich und würde sich über baldige Nahrungsaufnahme
freuen. Das Hotel liegt mitten in Downtown, umgeben von Wolkenkratzern die
Banken oder Telefongesellschaften beheimaten. Hier kann ich doch sicherlich
einfach vor die Tür gehen und werde unmittelbar einen Imbiss oder Restaurant
finden. Gesagt, getan – aber was ist hier los. Die Bürgersteige vor den
Hochhäusern sind leer, fast leer. Die Büros weitestgehend dunkel. Hey, ihr
Banker, wo seid ihr, ich denke, ihr arbeitet hier so hart und lang und verdient
gutes Geld, ihr habt doch noch Einiges aufzuarbeiten nach der Finanzkrise?
Kurz nach Sieben ist es
hier vollständig Dunkel. Der erste Fußgänger, der mir begegnet ist ein Einwohner afroamerikanischer
Abstammung (über 80% der Einwohner Detroits sind afroamerikanischer Abstammung
laut Wikipedia), der laut mit sich selbst spricht, bzw. vor sich hin schreit,
für den Straßen und Bordsteine dasselbe sind und der überhaupt keine Rücksicht
auf den Straßenverkehr nimmt. Der nächste Zeitgenosse ist diesmal ein Weißer,
mit deutlich abgenutzter Kleidung, komplett tätowiertem Gesicht, der einen nach
dem anderen Mülleimer öffnet und vermutlich nach Pfand oder nach
Gebrauchswerten durchsucht. Ganz wohl fühle ich mich nicht, gleichwohl ich mir
bewusst bin, dass ich aufgrund von Statur und Verhalten nicht ein Opfer einfachster Kategorie
darstelle. Trotzdem, kurz aufs Smartphone geschaut, wo sich die nächsten
Restaurants befinden: Greektown, in 10 Minuten bin ich da. Einmal die Hauptstraße
des Viertels vor und zurück und entschieden, es gibt Burger mit Pommes und zwar
bei den „Five Guys“. Innen im Laden ist Industrieromantik angesagt, Kisten mit
Lebensmitteln für Zubereitung, z.B. Ketch-up, Erdnussöl, Kartoffelsäcke sind einfach zwischen den Tischen
gestapelt. Rings herum hängen Zitate von überregionalen Zeitungen und Zeitschriften,
die die Qualität der Five Guys-Burger lobt. Und in der Tat: die Qualität ist
super, selbst die Pommes, in Erdnussöl ausgebraten, schmecken noch richtig nach
Erde. Dazu läuft guter alter Rock`n Roll: Led Zepplin, The Who, Janis Joplin etc.
Samstag, der Tag beginnt
wolkenlos. Bis auf einen Kaffee, verzichte ich auf Frühstück. Ab ins Parkhaus,
die Laufschuhe angezogen und los geht’s. Ich alleine zu Fuß in Detroit? Nein
mit dem iPhone, einem wichtigen Begleiter, wie ich in dieser Woche gelernt
habe, aber das ist einen eigenen Post wert.
Zuerst noch zum nächsten AT&T
Shop, um zu klären, warum ich seit zwei Tagen nicht mehr ein deutsches Mobiltelefon
anrufen kann, obwohl ich von dem extra gebuchten 10$ Dollar-Paket, dass mir
1.000 Minuten internationale Gespräche gewährt, erst 18 verbraucht habe? Als
einziger Kunde am Samstagmorgen begrüßen mich die beiden Fachkräfte freundlich
und stellen sich mir mit Handschlag und Vornamen vor. Wenn ich aus meinem
Hotelzimmer in der 18. Etage schaue, sehe ich direkt vor mir das nächste Hochhaus,
an dem ein AT&T Logo hängt und auch nachts leuchtet. Ich bin jetzt im fußläufig
nächsten Retailer-Store. Hier wird mir sicher schnell geholfen. Mein Problem
geschildert und auf die grafische Bilanz in meinem Online-Account gezeigt, dass ich dieses Paket
gebucht habe, erst 18 Minuten in Anspruch genommen habe und demonstriere einen
Anruf bei meiner Frau. Es ertönt die Hotline, dass ich kein Guthaben mehr
besitze. Die beiden Fachkräfte sind genauso ratlos wie ich und empfehlen mir
die Servicehotline anzurufen. Ich bitte Sie, auch weil ich der einzige Kunde
bin, ob wir das nicht direkt vor Ort machen können. Wir rufen die Hotline an,
schildern das Problem, mein Account wird von vorne bis hinten geprüft und schon
nach 10 Minuten steht fest, dass das internationale Paket nur für
Festnetz-Telefonie und nicht für Mobiltelefonie zur Verfügung steht. Also, lade
ich noch 10$ auf meinen Account für internationale Mobiltelefonie, für
Notfälle, denn 50ct pro Minute summieren sich schnell und dann ärgere ich mich
über mich selbst, dass ich das nicht selber rausgefunden habe. Ob diese
Aufgabenstellung von beiden Fachkräften im AT&T Store hätte gelöst werden
können, mmh, was verkaufen die nochmal, Kommunikationsmittel und Verträge…
lassen wir das.
Anschließend nehme ich
Kurs auf das Detroit Institut of Art. Dort drin verbringe ich über zwei Stunden
und genieße regelrecht die ästhetische Bildung, die mir dort zugutekommt. Zu lange war
ich nicht mehr in Museen. Schwerpunkt sind unter anderem die Holländer in ihrer
Blütezeit der Malerei, also 17. Jahrhundert, Rembrandt und Konsorten. Wahnsinn,
mit welchen Details, Linienführung, Perspektive und vor allem auch Licht
gearbeitet wurde. Für alle diejenigen, die sich mit Fotografie beschäftigen,
sind das die wirklichen Lehrmeister alter Schule. 18., 19.Jahrhunder über Dada,
Pop-Art bis zur Gegewartskunst sind wirklich große Namen und eindrucksvolle
Werke vertreten. 12,5 $ für Bildung waren gut angelegt.
Das nächste Ziel, das ich
anstrebe ist das Motwon-Museum – laut Google-Maps nur 1,6 Milen entfernt. Auf geht’s.
Google-Maps sucht natürlich den kürzesten Weg für Fußgänger, dafür bin ich
dankbar. Andererseits sollte man für amerikanische Großstädte und sicherlich
auch auf anderen Kontinenten mal überlegen, ob man für Fußgänger nicht auch
noch die Option auswählen kann, auf sozial-konfliktuäre Straßenzüge (oder wie
man das auch immer politisch korrekt ausdrücken möchte) zu vermeiden. Auf meinen
Fußwegen bin ich wieder ziemlich allein, vorbei an runtergekommenen und verlassenen Häusern. Die meisten, vereinzelten Zeitgenossen, die
mir begegnen, tragen ihr vollständiges Hab und Gut mit sich herum und sprechen
mich auch an, wovon ich allerdings kaum ein Wort verstehe. Wenn ich nicht
reagiere, werde ich dankenswerter Weise in Ruhe gelassen. Eine andere
interessante Spezies sind ältere Herrschaften, auch in abgenutzter Kleidung, in
elektrischen Rollstühlen, die auf den Bürgersteigen unterwegs sind.
Am Motown Museum angekommen,
finde ich viele Pärchen, dich sich gegenseitig vor dem Motown Schild und Rasen
fotografieren. Auch ich übernehme die Rolle des Fotografen für ein Pärchen,
vermutlich in den 60er Jahren. Ich strebe zum Eingang, doch dort hängt ein
Schild „Sold out – please visit us another day“. Auch das gibt es in Museen.
Schade, also Google, wie ist der kürzeste Weg zum Hotel.
Die iPhone-health-App hat
für diesen Tag 23,59 km angezeigt. Ob das richtig berechnet wurde, habe ich heute
Morgen getestet, in dem ich nach dem Frühstück bei strahlendem Sonnenschein die
Laufklamotten angezogen habe und an der Riverfront Detroit eine Stunde gelaufen
bin, das waren 10,2 km. Passt also einigermaßen.
Zum Abendessen bin ich wieder im "Five Guys" eingekehrt. Die Burgerbestellung an der Kasse habe ich ergänzt umneinem Wunsch nach einem Plastikbecher befüllt mit Stella Artois. Darauf kam die Rückfrage: For the beer, can I see you ID please? Hey, nächste Woche werde ich 41! Aber klar, es lag an meinem Rucksack. Kein Erwachsener hat in Städten einen Rucksack auf dem Rücken. Wozu auch? Er kann doch seine Sachen im Auto lassen, das vor der Tür parkt...
Zum Abendessen bin ich wieder im "Five Guys" eingekehrt. Die Burgerbestellung an der Kasse habe ich ergänzt umneinem Wunsch nach einem Plastikbecher befüllt mit Stella Artois. Darauf kam die Rückfrage: For the beer, can I see you ID please? Hey, nächste Woche werde ich 41! Aber klar, es lag an meinem Rucksack. Kein Erwachsener hat in Städten einen Rucksack auf dem Rücken. Wozu auch? Er kann doch seine Sachen im Auto lassen, das vor der Tür parkt...
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