Freitag, 23. Oktober 2015

Fernsehen - auch ein Spiegel der Gesellschaft



Während meiner ersten zehn Tagen in Michigan, die ich in Hotels verbracht habe, gehörte es zu meiner abendlichen Routine ein bis zwei Stunden Fernsehen zu schauen. Schon zu meiner Schulzeit habe ich gelernt, dass fremdsprachliches Fernsehen angeblich auch einen Beitrag zum Erlernen einer Fremdsprache leistet, und wie ich jetzt annehme, darüber hinaus gewiss auch viel über die Kultur eines Landes verrät.
Jetzt muss ich mich an dieser Stelle erstmal outen, kein profunder Kenner dieses Mediums zu sein. In den letzten sechs bis acht Jahren schaue ich pro Monat vielleicht zwei bis dreimal Fernsehen und dann darf es nur ein Programm sein ohne Werbeunterbrechung.
Für meine Verhältnisse habe ich also ganz ordentlich in den USA konsumiert, in der Regel habe ich ständig umgeschaltet, wenn sich eine Werbeunterbrechnung angkündigt hat. Auch morgens in den Frühstückslokalitäten liefen immer mehrere Fernseher gleichzeitig, teilweise Nachrichtensendungen, teilweise Sportprogramme.
Bisher hatte ich in den USA immer ein Spektrum von mindestens 40 Fernsehsendern zur Auswahl. Spielfilme laufen verhältnismäßig selten. Ich war eines Abends dankbar, als „Bad Santa“ begonnen hatte, gefühlt kam allerdings alle fünf Minuten eine Werbeunterbrechung von fünf Minuten, so dass die Freude über diesen schönen Film schnell vergangen war. Unglaublich viele – fast jeder zweite – Werbespot präsentiert Autos. Autos sind letztlich hier auch die Verlängerung des Eigenheims und Grundbedingung für jegliche - auch minimalste - Mobiltät. Motorleistung spielt bei der Werbung, sowie bei den Autos insgesamt, überhaupt keine Rolle, es geht mehr um den Komfort im Auto, um Becherhalter und hochglanzpolierte Felgen. Hubraum und Pferdestärken haben die Fahrzeuge sowieso alle überdimensioniert.
Zappt man abends durch die Programme, findet man viel Sport, vor allem Football und Baseball, teilweise auf fünf bis sechs Sendern gleichzeitig. Jetzt kenne ich von beiden Sportarten nicht die Regelwerke, allerdings zeichnen sich beide für mich dadurch aus, dass für einen kurzen Moment Aktivität, wenige Sekunden, stattfindet und Aufmerksamkeit geboten ist, und dann in längeren Phasen, teilweise mehrere Minuten, in denen Absprachen und Vorbereitungen für die nächsten Spielzüge vorgenommen werden, wieder aktivitätenlos sind. Für mich also kein Anreiz des Verweilens.
Sendungen mit Zuschauerbeteiligung sind dominant, zum einen vor Publikum, wie beispielsweise Gesangswettbewerbe oder Kochsendungen oder zum anderen, wenn vermeintliche Zuschauer in Shows involviert werden, wie bei Hausumbau-Sendungen oder verstecker Kameras.
Nachrichtensendungen und reine Nachrichtensender sind auch populär. Diese berichten allerdings sehr lokal. Wenn nachts in einem Eigenheim ein Einbruchsversuch stattgefunden hat, seht der Reporter früh morgens vor dem Gartenzaun und berichtet ausführlich über den Tathergang und befragt Nachbarn, während er vom flakernden Blaulicht des Polizeiwagens stroboskopartig beleuchtet wird. Kochsendungen nehmen insgesamt auch mehrere Kanäle in Anspruch, allerdings nicht, um Speisenzubereitung zu erlernen, wie man das früher mal bei  Alfred Biolek erleben durfte, sondern als Unterhaltung. Anthony Bourdain ist beispielsweise Protagonist der Sendung "Places Unknown". Er selbst – von Haus aus Koch –  tritt als welterfahrener Lebemann auf, wovon sicherlich die Unterarm-Tätowierung zeugen soll. Hier reist er in unbekannte Erdteile und lässt sich von regionalen Köchen ortsübliche Speisen zu bereiten und ist so mutig, sie auch zu probieren. Als ich reingezappt habe, ist er in einem älteren Sportwagen die Cote d’Azur enlang gefahren bis nach Marseille und hat festgestellt, dass Marseille kulinarisch völlig unterbewertet sei. Mehrmals habe ich auch schon vergnügt die Serie von Guy Fieri "Diners, Drives Inn, Dives" gesehen, in der er ebenfalls mit historischen Sportwagen vor Fast-Food-Restaurants auftaucht, die Küche besucht und danach mit den Gästen über die Qualität schwadroniert –  und alle sind grandios. Mittlerweile kann man auf der Webseite auch schon über 800 phänomenale Fast-Food-Läden sich nach Bundesstaaten auf einer Karte anschauen. Angeblich hat diese Sendung unglaubliche Einschaltquoten, insbesondere bei Männern. Fast-Food ist hier auch ein Phänomen, mit dem ich fast täglich in Berührung komme. Mc Donalds, Burger King, Wendy’s sind dabei die unterste Stufe der Essensqualität, des Preises, des Publikums und der Angestellten (vor allem den letzten Punkt bedauere ich, kann es aber leider nicht ändern). Hier findet man mittelalte Angestellte mit nur noch ganz wenig Zähnen im Mund und man hat das Gefühl, dass man auch mit mehr Zähnen wahrscheinlich das Gegenüber nur schwerlich verstehen würde. Ein großer Bevölkerungsteil, den ich als Mittelschicht identifiziere, ernährt sich regelmäßig von kleineren Fast-Food-Ketten, die Sandwiches, Burger, einfaches asiatisches oder mexikanisches Essen verkaufen. Für mich ist es Fast-Food, wenn ich sehe, dass konfektionierte Produkte aus großen Behältnissen in der offenen Küche verwendet werden und äußerst tayloristisch die Speisen zubereitet werden. Hier gelingt es zwar teilweise nicht  ganz ungesunde Kost auszuwählen, andererseits wird kein Teller individuell gewürzt außer man nimmt selbst die Tabasco-Flasche am Tisch in die Hand. Welche Konservierungsstoffe und Lebensmittelqualität die Produkte aufweisen, wage ich auch nicht fragen. Warum unglaubliche viele dieser Schnellrestaurants beider Kategorien existieren, liegt wohl auch an den Lebensmittelpreisen. Butter ist beispielsweise gar nicht so einfach zu kaufen und wenn, dann kosten die 250 Gramm 5$. Frische Milch ist fast nicht erhältlich. Selbst im Bioladen wird nur zwischen pasteurisierter Milch und extra-pasteurisierter Milch unterschieden, die also entweder 4 Wochen oder 4 Monate haltbar ist, aber im Kühlregal für 3,99$ die Tüte steht. Die Lebensmittelpreise liegen deutlich über denen in Deutschland, da liegt es nicht fern, für 10$ bis15$ ein Gericht im gehobenen Fast-Food-Segment zu sich zu nehmen. 
Bemerkenswert bei den Sendungen mit Zuschauerbeteiligung ist für mich immer wieder, dass Schimpfworte mit einem Piepston überblendet werden. So kann man sich zumindest sicher sein, keine Sendung live zu sehen.
Was im Medium Fernsehen hier auch noch gut zu funktionieren scheint, sind die Verkaufssender, in denen rund um die Uhr Waren angepriesen werden, die man unmittelbar per Telefonanruf bestellen kann. Bei diesen Sendungen, die ich zwar nur für wenige Minuten anschaue, habe ich allerdings das Gefühl, dass das Medium ehrlich zum Zuschauer ist. Zweck des Fernsehens ist ganz eindeutig die Generierung einer hohen Zuschauerquote für Werbung von Produkten, also Endkunden von Konzernen. Wenn man weiß, für welche Zwecke man Massenmedien missbrauchen kann, und da haben wir Deutschen in der Geschichte schon einmal ein deutliches Exemple statuiert, kann man froh sein, was man hier harmloses vorfindet. Wenn man andererseits bedenkt, welche Potenziale in diesem Medium an Vermittlungsmöglichkeiten von Bildung und Kultur schlummern, erschreckt man sich schon über den gegenwärtigen Gebrauch.
Seit letztem Sonntag ist jetzt für eine Woche der Fernsehapparat bei mir ausgeblieben. Grund dafür ist die Anschaffung eines Bluetooth-Lautsprechers und die Anmeldung bei Apple Musik. Das ist schon Wahnsinn, wie viele Alben und Musik gestreamt werden können und wie einfach das funktioniert. Auch eine ganz neue Erfahrung für mich. Wofür habe ich – vor allem in jungen Jahren – so viel Geld für CDs ausgegeben? Toll auch, welche Musikvorschläge mir aufgrund meiner Hörgewohnheiten nach zwei drei Tagen angeboten werden. Das passt. Hier habe ich seit einer Woche einen Kosmos wiederentdeckt, der seit einigen Jahren im Dornröschenschlaf schlummerte, aber jetzt ist die aktive Beschäftigung mit Musik reanimiert!

1 Kommentar:

  1. Du wirst doch am Ende deiner Reise nicht etwa im 21. Jahrhundert ankommen ;-)
    Liebe Grüße
    Marcus
    https://youtu.be/Q0VGRlEJewA

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